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„Baut dein Mann schon Bömbchen?“

■ Diskriminierung und Schikanen gegen arabische oder arabisch aussehende Menschen haben zugenommen INTERVIEW

Sabine Kriechhammer-Yagmur ist Bundesgeschäftsführerin der Interessengemeinschaft der mit Ausländern verheirateten Frauen (IAF) — Verband binationaler Ehen und Partnerschaften.

taz: In Ihrem Verband gehen Hinweise auf die wachsende Feindseligkeit gegenüber arabischen Menschen ein. Können Sie einige nennen?

Sabine Kriechhammer-Yagmur: Ganz besonders beunruhigen uns zur Zeit die Hausdurchsuchungen, die Zeugenvernehmungen durch die politische Polizei und die Meldeauflagen gegenüber arabischen Menschen, wie sie zum Beispiel in Baden-Württemberg geschehen. Der hessische Innenminister hat die Bevölkerung bereits am 14. Januar aufgefordert, gegenüber Menschen aus dem arabischen Raum besonders aufmerksam zu sein und „verdächtige“ Verhaltensweisen wie zum Beispiel das kurzzeitige Anmieten von Wohnungen sofort der Polizei zu melden. Das ist im Prinzip ein Aufruf zur Denunziation. Es soll aufgrund dieser Presseerklärung von verschiedenen Polizeipräsidien ein Merkblatt herausgegeben worden sein, in dem unter anderem Mitarbeiter von Firmen aufgefordert werden, ein Auge auf ihre arabischen Kollegen und Kolleginnen zu haben.

Welche Auswirkungen hat diese Stimmungsmache auf die einzelnen Familien?

Eine palästinensische Familie berichtete uns, sie könne ihre Kinder nicht mehr zum Spielen auf die Straße schicken, weil die Klassenkameraden mit Prügel drohten. So spielen die Kinder seit zwei Wochen zu Hause. Eltern haben eine panische Angst und wissen nicht, wie sie reagieren sollen. Ich habe auch von Leuten gehört, die plötzlich ihren langjährigen Arzt wechselten, weil er Iraker ist und sie kein Vertrauen mehr zu ihm haben. Leute, deren Name arabisch klingt oder die das Pech haben, Hussein zu heißen — ein Familienname, der relativ häufig ist —, erzählen, daß sie anonyme Anrufe bekommen, beschimpft und bedroht werden.

Sind Frauen, die mit arabischen Männern leben oder auftreten, größerer Anmache als bisher ausgesetzt?

Weniger einer sexistischen, wie es häufig der Fall ist, wenn eine deutsche Frau einen Mann aus einem anderen Kulturkreis heiraten will. Jetzt wird auf das Bild des arabischen Terroristen abgehoben. Ich habe von mehreren Fällen erfahren, wo Frauen am Arbeitsplatz gefragt worden sind: Na, baut dein Mann schon an seinem Bömbchen?

Sie haben die Meldepflicht in Baden-Württemberg erwähnt. Wie sieht die aus?

Das Ausländergesetz gibt den Behörden die Möglichkeit, die Bewegungsfreiheit eines Ausländers oder einer Ausländerin auf eine Stadt oder einen Landkreis zu beschränken in dem Moment, wo eine Gefahr besteht für die freiheitlich-demokratische Grundordnung. In den Fällen, die uns aus Baden-Württemberg bekannt sind, besteht auch noch die Auflage, sich täglich bei der Polizei zu melden.

Das Auswärtige Amt hat angeordnet, keine Touristenvisa mehr an Menschen aus arabischen Ländern auszugeben. Wird das konsequent befolgt?

Soweit ich aus meiner Beratungstätigkeit weiß, ja. In den Fällen, in denen wir konkret nachgehakt haben, war aber eine Regelung möglich. Gelöst haben wir zum Beispiel den Fall eines Arabers, der in Frankreich saß und zu seiner deutschen Verlobten wollte, um zu heiraten. Das Einreisevisum aber hat er nicht bekommen — ohne Begründung. Wenn die IAF sich nicht eingeschaltet und im Einvernehmen mit allen Beteiligten eine Lösung gefunden hätte, säße dieser Mann heute noch in Frankreich.

Was kann die IAF in der momentanen Situation den Ratsuchenden und Mitgliedern raten?

Einen allgemeinen Rat gibt es nicht. Wenn zum Beispiel eine polizeiliche Vernehmung ins Haus steht, raten wir, die Rechtsgrundlage dafür zu prüfen. Wir empfehlen, sich mit Anwälten darüber in Verbindung zu setzen. Bei Hausdurchsuchungen ist es wichtig, ein Protokoll anzufertigen, um gegebenenfalls noch juristisch tätig werden zu können. Selbstverständlich stehen wir allen Betroffenen mit Gesprächsangeboten zur Seite, und wir können Anwälte vermitteln. Das schwierigere Problem ist eher, daß uns das Anwachsen des Rassismus Angst macht. Wir versuchen seit Jahren vorzuleben, daß das friedliche Zusammenleben, dieser interkulturelle Dialog, möglich ist, und hier werden wir in die Defensive gebracht. Interview: Ulrike Helwerth.

Kontakt: Interessengemeinschaft der mit Ausländern verheirateten Frauen e.V., Mainzer Landstraße 147, 6000 Frankfurt, 069/ 73 78 98.

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