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Polizei und Schnoor scharf angegriffen

■ Nebenkläger Bischoff im Gladbecker Geiselnehmerprozeß: Polizeiverhalten war „kriminell“

Essen (taz) — Die Stürmung des Fluchtautos der Gladbecker Geiselnehmer auf der Autobahn A3 durch die Polizei war nach Meinung von Gerald Bischoff, Nebenkläger im Essener Prozeß gegen das Gangstertrio Hans-Jürgen Rösner, Dieter Degowski und Marion Löblich, „menschenverachtend und massiv rechtswidrig“. Politisch verantwortlich für den „kriminellen Zugriff“ sei der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Schnoor. Die „Schraube der Gewalt“ sei von der Polizei selbst durch die „rechtswidrige“ vorübergehende Festnahme von Marion Löblich in Bremen hochgedreht worden. Dieter Degowski hatte auf die Festnahme seiner Komplizin mit der kaltblütigen Ermordung des 15jährigen Italieners Emanuele De Giorgi reagiert.

Der Nebenkläger der Familie De Giorgi, Rechtsanwalt Bernd Rosenkranz, sprach in seinem Plädoyer davon, daß während der Verfolgung der Geiselnehmer „von der Polizei eindeutig die Bedingungen gesetzt worden sind“, die zum Tod von Emanuele De Giorgi und Silke Bischoff geführt hätten. Dazu zählt Rosenkranz „die völlig unüberlegte Festnahme von Frau Löblich“ ebenso wie die Beendigung der Geiselnahme durch die Rambo-Aktion auf der A3. Vehement wies Rosenkranz die öffentliche Kritik an den Nebenklägern zurück, denen vorgeworfen worden war, den Prozeß durch eine Vielzahl von Anträgen verzögert zu haben. Es sei die Pflicht der Nebenkläger gewesen, den Fall so lückenlos wie möglich aufzuklären. Dazu gehöre auch „das Versagen der Polizei“. Die Verzögerung bei der Vernehmung der Polizeibeamten, die sich immer wieder hinter ihrer Aussageverweigerung versteckt hatten, sei von jenen zu verantworten, die den Beamten den „Maulkorb auferlegt haben“.

Beide Nebenkläger halten die drei Angeklagten, für die die Staatsanwaltschaft jeweils „lebenslänglich“ bzw. 14 Jahre Haft für Marion Löblich gefordert hatte, für voll schuldfähig. Während für die Staatsanwaltschaft Rösner Silke Bischoff nicht vorsätzlich erschoß, besteht daran für die Nebenklage kein Zweifel.

Das Klageerzwingungsverfahren von Rechtsanwalt Bischoff gegen drei hohe Polizeibeamte und Innenminister Schnoor hat das OLG Hamm schon im letzten Jahr zurückgewiesen. Für die Justiz war selbst das Finale auf der A3 „nicht rechtswidrig, weil das Leben der Geiseln gefährdet war“, wie es in dem Beschluß — ohne jede Abwägung der mit dem Zugriff selbst verbundenen Gefahren — heißt. J.S.

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