: Schüsse bei Münchner Anti-Kriegdemo
■ Eskalation bei Friedensdemo: Zivilbeamte der Polizei schiessen neben türkischen Demonstranten in den Boden/ Türkische Gruppen standen unter besonderer Beobachtung der Polizei
München (taz) — Bereits im Vorfeld war die Münchner Anti-Kriegsdemonstration vom vergangenen Samstag bei den Behörden umstritten. Wie jedoch erst gestern durch die Veranstalter der Demonstration, dem „Aktionsbündnis Stoppt den Krieg am Golf“, bekannt wurde, eskalierte die Situation während der Demonstration durch Zivilbeamte der Polizei. Nach Angaben von Augenzeugen zogen zwei Zivilbeamte ihre Pistolen und schossen direkt neben einem Demonstranten zweimal in den Boden.
Transparente entrissen
Kurz zuvor setzte einer von ihnen bereits Chemical Maze aus einer Sprühflasche an seinem Gürtel ein. Das Ganze ereignete, sich als die Zivilbeamten erneut versuchten ein Transparent der türkischen Demonstrantengruppe der linken Organisation „Devrimci Sol Gücler“ zu beschlagnahmen. Bereits bei der Auftaktkundgebung am Marienplatz wurde der selben Gruppe ein Transparent mit der Aufschrift „Nieder mit dem imperalistischen Krieg“ von Zivilbeamten entrissen. Mit Faustschlägen und Fußtritten traktierten sie dabei die türkischen Demonstranten.
Begründung für die erste Beschlagnahmeaktion: Es handle sich um ein Transparent der seit 1983 verbotenen linksextremen Gruppierung Dev Sol. Nach Ansicht der Veranstalter wurde diese Verwechslung von der Polizei bewußt inszeniert. Bei dem Gerangel um das Transparent wurde der türkische Kurde Ali D. wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt festgenommen. Sein Asylverfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Ohne Durchsuchungsbefehl durchsuchte die Polizei während seiner Festnahme seine Wohnung in Augsburg. Wie der inzwischen wieder Freigelassene mitteilte, wurde er auf dem Münchner Polizeirevier in der Ettstraße von Beamten zusammengeschlagen. Noch nach der Demonstration wurde außerdem der Kurde Nuri G. festgenommen. Nuri G. wurde im vergangenen Mai bei den skandalösen Schüssen aus dem türkischen Konsulat in München angeschossen. Damals protestierten türkische Organisationen gegen die Vorfälle rund um die verbotenen ersten Mai-Demonstrationen in der Türkei, bei denen es einen Toten und zahlreiche Verletzte gab. Das türkische Konsulat behauptete der Polizei gegenüber aus den Reihen der Demonstranten sei ein Molotowcocktail ins Gebäude geworfen worden. Gegen Nuri G. Läuft deshalb ein Verfahren gegen Landfriedensbruch. Wer auf die Demonstranten geschossen hatte, wurde nie aufgeklärt. Für Nuri G. hatte das Ganze jedoch zur Folge, daß er sich alle zwei Wochen um seine Aufenthaltsverlängerung bemühen muß und ihm ständig die Ausweisung droht.
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