: Coppola macht's des Geldes wegen
■ Am kommenden Montag läuft im Rahmen der Berlinale Francis Ford Coppolas „Der Pate, Teil III“. Robert Duvall spielte in den ersten beiden Folgen den Anwalt der Corleone-Familie. Warum er in Teil III nicht mitspielt, hat er Gerhard Midding verraten
Gerhard Midding: Mr. Duvall, als Schauspieler und als Star bewegen Sie sich sehr konsequent zwischen den beiden Polen des aktuellen Hollywoodkinos: Sie spielen sowohl in kleinen, unabhängigen Produktionen wie auch in Studiofilmen mit großem Budget. Ist dieses Alternieren eine bewußte Entscheidung?
Robert Duvall: Nein, das mache ich nicht bewußt. Es ist ganz einfach: Man geht dahin, wo es Arbeit gibt. Ich versuche, gute Rollen zu finden, und wenn man in einem großen kommerziellen Film wie Days of Thunder (Tage des Donners) eine gute Rolle bekommt, dann hilft das sowohl dem Film als auch mir. Natürlich versuche ich, soviel Geld wie möglich zu bekommen, denn das Geld ist da. Days hatte eine Budget von 50 Millionen. Unabhängig produzierte Filme verlangen von einem Schauspieler natürlich viel mehr Engagement, nicht allein wegen der geringeren Budgets, auch weil es sehr schwierig ist, überhaupt noch einen Film außerhalb des Mainstreams auf die Beine zu stellen. Oft finden diese Filme noch nicht einmal einen Verleih. Aber viele der Themen, die mich interessierten, auch als mögliche Projekte in eigener Regie, kann man nur unabhängig realisieren.
Weshalb haben Sie denn in „The Godfather III“ („Der Pate III“) Ihre alte Rolle aus den ersten beiden Teilen nicht wieder aufgenommen? Stimmt es, daß Ihre Gagenforderung zu hoch war?
Nein, sicher nicht. Aber Sie können sich vorstellen, daß es für mich nur schwer akzeptabel ist, in einem Film mitzuspielen, für den ein anderer Schauspieler das Fünffache der Gage einstreicht, die man mir angeboten hat. Ich bin es gewohnt, daß manche meiner Partner das Zweieinhalbfache meiner Gage bekommen, aber in diesem Fall hatte ich das Gefühl, daß die Proportionen nicht gewahrt bleiben. Und machen wir uns nichts vor: Jeder macht diesen Film des Geldes wegen, auch Coppola. Wenn es ihm nicht ums Geld ginge, weshalb hat er den Film dann nicht schon vor zehn Jahren gemacht?
Auf diese neuerliche Zusammenarbeit mit Coppola wäre ich sehr gespannt gewesen, zumal Sie in den siebziger Jahren einige Ihrer besten Rollen in seinen Filmen spielten. Gab es eigentlich einen Bruch zwischen Ihnen beiden?
Nein. Wir haben einfach seit längerer Zeit keinen Film mehr miteinander gemacht, weil er sehr viele Filme mit jungen Leuten gedreht hat. Und daß ich die Rolle in Godfather III nicht übernommen habe, ist auch nicht Francis' Schuld. Die Rolle war mir nicht wirklich wichtig.
Aber Francis und ich haben schon eine besondere und sehr enge Beziehung zueinander. Im letzten Jahr besuchte er mich auf meiner Farm und fragte mich, ob ich die Rolle spielen wolle. Ich habe ein Rezept für eine Krabbentorte aus Maryland, das mir meine Mutter beigebracht hat. Die Leute mögen diese Torte sehr, und Francis war ganz verrückt danach. Nachdem er gegangen war, fiel ihm ein, daß er das Rezept vergessen hatte. Er rief mich sofort vom Flughafen aus an, das war ihm wichtiger als meine Entscheidung, ob ich nun im Film mitspiele oder nicht.
Man assoziiert Ihren Namen hauptsächlich mit dem Kino des New Hollywood. Wie haben Sie den Wandel empfunden, der sich Ende der sechziger Jahre im Filmgeschäft vollzog? Sie haben ja innerhalb weniger Wochen noch Filme mit Veteranen wie John Wayne und Henry Hathaway und Filme mit Coppola und Altman gemacht.
Denken Sie, daß es da einen radikalen Wandel gab? Vielleicht war es so, aber ich bin mir da gar nicht so sicher. Damals gab es zwar mehr Filme von unabhängigen Produzenten, die unter der Schirmherrschaft der großen Studios entstanden sind. Aber einen Klimawechsel habe ich damals nicht verspürt.
Seit einigen Jahren ändert sich wieder vieles. Wir kehren zurück zum alten Studiosystem. Die Studiochefs haben wieder mehr Macht. Und die Agenten! Vor kurzem gab es eine Umfrage, wer die mächtigsten Leute in Hollywood seien. Der populärste Schauspieler war Tom Cruise, aber der rangierte erst an sechzehnter Stelle. Der mächtigste Mann Hollywoods ist Mike Ovitz, der Chef der Agentur, die ich gerade verlassen habe. [lacht]
Ich möchte der Frage nach dem Wandel aber doch noch weiter nachgehen. War nicht doch zu spüren, daß eine neue Regisseursgeneration mit einem veränderten Verhältnis zum Kino aufkam?
Ja, doch, das stimmt. Ein Bursche wie George Lucas beispielsweise. Ich erinnere mich, daß er als 25jähriger auf dem Set von The Rain People (Liebe niemals einen Fremden) herumlief und Aufnahmen für einen Dokumentarfilm machte. Ein hagerer junger Kerl, immer eine Kamera in der Hand. Und zwei Jahre später drehten wir zusammen THX 1138, da hatte ich das Gefühl, er habe schon seit fünfzehn Jahren Filme gemacht!
Hat sich die Haltung der Regisseure gegenüber den Schauspielern nicht auch gewandelt? Sie sagten einmal, die jüngeren Regisseure brächten Schauspielern mehr Respekt entgegen.
Das ist mein Eindruck, möglicherweise ist der falsch, aber ich habe sehr viele gute Erfahrungen mit jungen Regisseuren gemacht. Früher gab es stärkere Hierarchien, da übten die Regisseure mehr Druck aus. Heute gehen wir an alles etwas entspannter heran. Man fühlt sich gleichberechtigter als Schauspieler.
Zwei meiner Lieblingsfilme sind Papa ist auf Dienstreise und Mein leben als Hund, zwei europäische Filme mit Kindern. Die sind mir lieber als die meisten Filme, in denen ich mitgespielt habe, die sind mir lieber als Mash oder The Godfather. Das sind brillante Filme, ganz wunderbar gespielt. Die Regisseure mußten ihre Darsteller wirklich gut gekannt haben und eine angenehme Arbeitsatmosphäre geschaffen haben. Man sieht den Filmen an, daß die Schauspieler ganz entspannt arbeiten konnten.
Heute hat ein Schauspieler wahrscheinlich mehr Freiheit zur Improvisation als früher im Studiosystem.
Ja, wenn man nicht allzu ausgefallene Wünsche hat, dann lassen sich die Regisseure und Autoren darauf ein. Bei vielen muß man aber auch vorsichtig sein. Am leichtesten ist es natürlich mit einem Regisseur, der selbst Schauspieler ist, wie etwa Dennis Hopper. Bei Colors war er sehr offen für Vorschläge. Erinnern Sie sich an die Szene, in der ich den Jungen (Sean Penn) frage, ob sein Herz immer mit 160 Stundenkilometern schlägt? Das war improvisiert, das war ein Satz, den ich gehört hatte, als ich bei den Recherchen zum Film mit Leuten vom Sheriff's Department durch die Straßen von Los Angeles fuhr. Am Ende der Dreharbeiten sagte ich zu Dennis: „Meinen Dialog in der Sterbeszene möchte ich auch ändern.“ Dann haben wir die Szene tatsächlich vollständig improvisiert, denn ich hatte das Gefühl, daß jemand — egal wie macho er sich gibt — am Ende, wenn er weiß, daß er stirbt, nach einem Menschen rufen wird, nach seiner Frau oder seiner Mutter.
Wenn Sie sich auf eine Rolle vorbereiten, suchen Sie dann einen Schlüsselsatz für die Figur, die Sie spielen?
Sie meinen das, was manche Leute das „Rückgrat“ einer Rolle nennen? Ich suche nicht danach, ich spüre das eher unbewußt, glaube ich. Ich lasse mich immer von dem ersten Eindruck einer Rolle leiten. Aber Sie haben recht, man sollte immer nach dem Rückgrat, dem roten Faden einer Rolle suchen.
Ein Beispiel dafür ist ein Satz, der Ihre Figur, den Anwalt der Corleone-Familie in „The Godfather“, wunderbar charakterisiert: „Es ist nichts Persönliches, es ist nur Geschäft.“
Ja, richtig. Aber ich will Ihnen sagen, wie ich wirklich an die Rolle herangegangen bin. Ich hatte einen Freund in East Harlem, einen Sizilianer, der mir von den alten Zeiten in der italienischen Gemeinschaft dort erzählte. Damals kannte dort jeder jeden, und alle hielten fest zusammen. Es war sehr sicher, dort zu leben. Die Mädchen konnten zum Tanzen ins „Roseland“ gehen, nachts um zwei nach Hause kommen und in warmen Nächten draußen auf der Feuertreppe schlafen, ohne daß ihnen etwas passierte. Mein Freund erzählte mir von jemandem, der dort das organisierte Verbrechen leitete. Er hatte einen Jungen bei sich, der alles für ihn tat: Er holte für ihn Kaffee, zündete seine Zigaretten an etc. Er war der einzige, der diesen Boß überhaupt anrühren durfte, und niemand hätte es gewagt, über ihn einen Witz zu machen. Er war das, was wir in Amerika einen „gofer“ nennen („gofer“ ist eine verballhornte Ableitung von „to go for something“ = etwas holen). Diese Art von Respekt, die der Junge seinem Boß entgegenbrachte, hat mich für mein Verhalten gegenüber Brando im Film inspiriert: Ich wurde sein „gofer“, kümmerte mich immer um ihn und folgte ihm wie ein Schatten überallhin. Der Regisseur sagte uns: „Die Corleones sind wie Nixon und seine Familie, verliert das bitte nie aus den Augen.“ Aber das half mir gar nicht für die Rolle, die Geschichte meines Freundes aber verschaffte mir einen Eindruck von der Hackordnung, die in der italienischen Gemeinschaft herrschte.
Kurz hach „The Godfather“ spielten Sie in einem Kultklassiker mit, der ein ganz anderes Bild der Mafia zeichnete: „The Outfit“.
Der Film kam in die Kinos und verschwand sofort wieder. Er wurde nur von sehr wenigen Kinobesitzern gezeigt, und das kann durchaus daran gelegen haben, daß die Mafia da Druck ausgeübt hat. Das war schade, denn der Film war nicht schlecht. Üblicherweise romantisieren wir ja das organisierte Verbrechen in unseren Filmen; Hollywood hat das über Jahrzehnte hinweg getan. Ich bin mir nicht sicher, ob Hollywood wirklich eine Position gegen die Mafia beziehen möchte. Aber das ist Showbiz, und es bereitet einem Schauspieler ja auch viel mehr Vergnügen, einen Gangster, einen „bad guy“ zu spielen. Das war schon zu Zeiten von Edward G. Robinson so.
Man kann durchaus sagen, daß The Godfather die Mafiafigurern idealisiert. Wenn Sie Mario Puzos
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen