: ...und gebar eine Maus
■ Die Staatsanwaltschaft und die Nomenklatura-GmbHs
Ein halbes Jahr ist vergangen seit der Verabschiedung eines speziellen Gesetzes, demzufolge per Gerichtsprozeß Privatfirmen und Privatpersonen, die auf unehrliche Art und Weise Staatsvermögen zu niedrigen Preisen übernommen haben, dieses wieder abgenommen werden kann. Man schämt sich fast zu sagen, daß bis zum Dezember letzten Jahres die Staatsanwälte gerade vier Mal zu diesem radikalen Instrument gegriffen haben. Anlaß waren Geschäfte, die für die Käufer — Privatpersonen — sehr vorteilhaft, für die Verkäufer — Staatsunternehmen — dagegen sehr nachteilig waren (1989 wurden so etwa 2,7 Hektar an einem See für 93.500 Zloty (zirka 20 D-Mark, d. Red.) verkauft). Hinweise auf solche Affären gab es natürlich wesentlich mehr, aber sie haben den Staatsanwalt nicht sonderlich überzeugt.
Wieviel steckt in dieser Passivität Angst davor, es könnten die Unfähigkeit und die Machenschaften jener ans Tageslicht kommen, die diese Verträge unterschrieben und die immer noch ihre Führungsposten innehaben? Wieviel Passivität und Apathie der Zuschauer, aber auch wieviel einfache Wahrheit, daß Polen nämlich gar nicht so ausgeraubt wurde, wie das dauernd von politischen Rednertribünen und von einem Teil der Presse behauptet wird? Für eine große Dosis Zurückhaltung spricht noch eine andere Statistik: In Polen gibt es 60.000 Kapitalgesellschaften, aber in der Generalprokuratur ist man der Ansicht, daß die sogenannten Nomenklatura-GmbHs davon gerade zehn Prozent, eher sogar noch weniger, ausmachen.
Das Wirtschaftsleben kennt ein großes Gebiet, das nicht gern ausgebreitet wird (übrigens auf der ganzen Welt nicht), besonders nicht vor dem Staatsanwalt, denn selbst wenn es da nicht zu Verstößen gegen das Strafgesetzbuch kommt, so doch bestimmt zur Verletzung moralischer Gebote. An dieser Grenzlinie, wo wir es noch nicht mit einem Verbrechen, aber schon mit etwas moralisch Verwerflichem zu tun haben, bewegt sich ein Teil der Unternehmer nicht nur in Polen. Wenn wir das nicht verstehen, wird unsere Wirtschaft in einer Atmosphäre der Angst, Unsicherheit und der Furcht vor jedem gewagteren Schritt leben. Deshalb muß man sehr vorsichtig sein beim Verallgemeinern von Vorwürfen an die Adresse jeder Gruppe von Unternehmern. Allzu leicht richten sie sich sonst gegen jeden, der Geld hat. Man kann an der einen Stelle Wind säen, und dafür woanders dann Sturm ernten. Stanislaw Podemski
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen