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„Die Zärtlichkeit der Völker“

■ Die RAF über ihren Anschlag auf die US-Botschaft in Bonn DOKUMENTATION

Wir haben heute mit dem Kommando Vincenzo Spano die Botschaft der USA in Bonn beschossen, weil die USA im Vernichtungskrieg gegen das irakische Volk von Anfang an die Führungsrolle übernommen haben. Mit unserer Aktion stellen wir uns in eine Reihe mit all denen, die rund um den Globus gegen den US-Nato-Völkermord aufgestanden sind.

Internationale Solidarität ist die Zärtlichkeit der Völker

Für die imperialistischen Staaten ist dieser Krieg der erste Schritt zur Durchsetzung ihrer neuen Weltordnung für die Zeit nach dem Kalten Krieg. Das irakische Regime hat jahrelang im Interesse des Imperialismus Kriege geführt; es hat den Iran im Schach gehalten, und es hat in bestialischer Weise, selbst unter Einsatz von Giftgas, einen Ausrottungskrieg gegen das kurdische Volk geführt. In letzter Zeit ging es dem Irak zunehmend darum, die eigene Machtposition in der Nahostregion auszubauen. Der Nahe Osten ist für den Imperialismus eine politisch instabile Region. Einerseits ist durch den Kampf der palästinensischen Befreiungsbewegung, den langen Atem der Intifada, der Druck geschaffen, der die Frage nach einer grundlegenden politischen Veränderung immer wieder auf die Tagesordnung setzt. Zum anderen ist schon lange klar, daß die Herrschercliquen in Saudi- Arabien, Ägypten, Jordanien usw. davon bedroht sind, von ihren Völkern früher oder später weggefegt zu werden. Deshalb soll in dieser Region, von deren Öl die westlichen Konzerne und die westeuropäischen Industriestaaten abhängig sind, keine Macht entstehen, die nicht unter absoluter Kontrolle des imperialistischen Blocks steht.

Das sind die Gründe, warum die imperialistischen Staaten heute diesen Krieg gegen einen ehemaligen Verbündeten führen. Der Imperialismus hat keine Moral. Die Saddam- Hussein/Hitler-Vergleiche sind der propagandistische Dreh, über den die Herrschenden es schaffen wollen, die bei vielen Menschen nicht vorhandene Zustimmung für diesen Krieg zu erreichen. Aber diesem System ist jeder Hitler, Schamir, Özal, Pinochet, Christiani und wie sie alle heißen ein Freund, solange er — egal mit welchen Mitteln — die Interessen des internationalen Kapitals durchsetzt.

Für die USA ist dieser Krieg der willkommene Anlaß, die Frage nach der Führungsrolle innerhalb des westlichen Blocks wieder mehr an die militärische Stärke zu knüpfen. Gleichzeitig wollen sie natürlich mit diesem Krieg ihre abgehalfterte Wirtschaft sanieren. Am Golf spielt sich derzeit also auch der Konkurrenzkampf der imperialistischen Kernstaaten bzw. Zentren untereinander um die künftige Macht und den Einfluß in der Nahostregion und die Vormachtstellung innerhalb des imperialistischen Lagers ab. Die Bundesregierung ist sich der Tatsache bewußt, daß Großdeutschland nicht allein aus der ökonomischen Potenz des BRD-Kapitals zur neuen Weltmacht werden kann. Das Vierte Reich braucht dafür die losgelassene Militärmaschine genauso dringend, wie schon die Nazis sie gebraucht haben. Die Interessen des deutschen Kapitals sollen nach 45 Jahren endlich wieder mit der ganzen Brutalität der Kriegsmaschinerie durchgesetzt werden können.

Dafür laufen zur Zeit alle Vorbereitungen. Der Bundeswehreinsatz in der Türkei und ihre logistische Einbindung in diesen Krieg sind erste praktische Schritte. Über das Vehikel des UNO-Einsatzes der Bundeswehr — nachdem die UNO neben Nato, IWF und Weltbank zum Instrument imperialistischer Kriegführung gegen die unterdrückten Völker gemacht wurde — will sich Großdeutschland endlich wieder freie Hand für die militärische Unterwerfung und Ausplünderung der Völker schaffen. Der Krieg im Nahen Osten ist der Krieg der Reichen gegen die Armen (...).

Die imperialistischen Staaten führen im Irak einen Krieg der verbrannten Erde; was der Abwurf von Zig- tausenden Tonnen Bomben und die Flächenbombardements der amerikanischen B-52-Bomber an Tod und Leid über ein Volk bringen, das haben die Unterdrückten auf dieser Welt seit Vietnam nicht vergessen. Israel und die Türkei nutzen diesen Völkermord gegen das irakische Volk, um Krieg und Terror gegen das palästinensische und kurdische Volk zu verstärken. Das türkische Regime — unterstützt von Bundeswehr und anderen Nato-Truppen — bombardiert kurdische Dörfer und hat im Grenzgebiet Tausende Menschen umgebracht. Israel bombardiert wieder Palästinenser-Lager im Südlibanon. (...) Der zionistische Staat will die Palästinenser endgültig aus den besetzten Gebieten vertreiben und Teile Libanons und Jordaniens annektieren.

Solidarität mit der palästinensischen Intifada und dem kurdischen Befreiungskampf!

Die große Mobilisierung gegen diesen Vernichtungskrieg hat die Herrschenden in der BRD überrascht und erschreckt. Nach einem Jahr, in dem die Bundesregierung sich um die Wiederherstellung Großdeutschlands und den ,Sieg des Systems der freien Marktwirtschaft‘ feiern ließ, sind sie heute damit konfrontiert, daß viele Menschen ein Gespür behalten haben, daß ihre Interessen mit denen der Völker im Nahen Osten zusammengehören und nicht mit denen der Herrschenden auf dieser Welt.

Die Waffe der psychologischen Kriegführung, mit der von der Bundesregierung bis zur staatstragenden Linken all die als Rassisten und Antisemiten denunziert werden, die gegen diesen Völkermord aufgestanden sind, muß stumpf gemacht werden. Die Solidarität mit dem irakischen Volk gegen die imperialistische Vernichtung ist Teil im Kampf von uns unten gegen die oben. Der antiimperialistische Kampf gegen diesen Völkermord gehört direkt mit den Aneignungsprozessen in jedem einzelnen Land zur Durchsetzung konkreter Lebensinteressen der Menschen bzw. zur Verhinderung imperialistischer Zerstörungsprozesse zusammen — beides zusammen ist ein Prozeß, in dem die Unterdrückten in konkreten Schritten Gegenmacht aufbauen und die imperialistische Macht weltweit zurückdrängen.

Denen, die in den letzten Wochen gegen diesen Krieg — für Frieden — auf die Straße gegangen sind, wollen wir sagen: Ihr müßt Euch damit auseinandersetzen, daß imperialistischer Krieg in der Logik des imperialistischen Systems liegt. Dieses System produziert in den „reichen“ Ländern für die Menschen Vereinzelung und Konkurrenzdruck jeder gegen jeden. Jeder menschliche Lebenssinn soll zerstört werden. Statt dessen sollen viele ihre Identität darin suchen, Objekt im Konsumterror zu sein. Der Imperialismus wird immer dann Kriege führen, wenn irgendwo auf der Welt seine Macht in Gefahr ist. Er wird nicht aufhören, seine Bestimmung über die Lebensinteressen der Völker zu stülpen — mit Gewalt, mit Geld, mit Lügen, eben mit der ganzen Palette seiner Herrschaftsmittel. Ein selbstbestimmtes Leben für alle ohne Ausbeutung und Unterdrückung wird es erst dann geben, wenn wir die Macht des imperialistischen Systems gebrochen haben. Ein Schritt dahin ist das Zusammenwirken der verschiedensten Initiativen gegen diesen Völkermord:

— den Angriffen von revolutionären Gruppen überall auf der Welt gegen die politische und militärische Macht von USA und Nato;

— den Blockaden gegen die Kriegskonzerne, gegen die Börsen, gegen Nato-Militärstützpunkte und in allen Initiativen, Demos, Mahnwachen, Kriegsdienstverweigerungen, Sabotage-Aktionen, in denen für die Leute die Auseinandersetzung darum anfängt, sich ein eigenes von den Herrschenden unabhängiges Bewußtsein darüber zu erobern, was richtig und notwendig ist.

An die Leute, die seit Beginn des Golfkriegs die Mahnwache vor der US-Botschaft machen: Wahrscheinlich habt Ihr einen ziemlich großen Schreck gekriegt. Wir haben unsere Munition mit Leuchtspurmunition gemischt, damit Ihr gleich seht, wo genau sich die Schießerei abspielt, und niemand von Euch vor Schreck in die falsche Richtung läuft. (...) Sicherlich werden jetzt die Medien verkünden, wir hätten Euch fast erschossen. Das ist Quatsch. Wir wußten die ganze Zeit genau, wo Ihr Euer Camp hattet, und wir haben auch, bevor wir angefangen haben, die US- Botschaft zu beschießen, den Weg unten am Rhein kontrolliert. (leicht gekürzt)

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