: Die Doppelklosettverwirklichung
■ Peter Noevers Erdprojekt »Die Grube« in der Galerie »Aedes«
Im burgenländischen Breitenbrunn, mit Blick auf den Neusiedlersee, gräbt sich seit rund 20 Jahren der Designer, Freizeitarchitekt und Direktor des Österreichischen Museums für angewandte Kunst (MAK) in Wien, Peter Noever, immer tiefer in die Erde, daß man meint, er wolle es Maulwürfen nachtun. Sein Projekt Die Grube, das die Galerie »Aedes« mit Zeichnungen und Modellen ausstellt, ist aus einem alten unterirdischen Weinkeller entstanden. Längs dessen Achse hat Noever ein langgestrecktes Gang- und Treppensystem zu einem stillgelegten Steinbruch in 65 Meter Entfernung gebuddelt. Wie das Erdtier, so hat auch Noever hier und da ein paar dicke Haufen aufgeworfen, nur mit dem Unterschied, daß es sich in Breitenbrunn um steinerne Mauern, Betonblöcke und Erdwälle handelt, die das Grubennetz umstellen. Bald soll noch ein hoher Turm dazukommen. Dann ist Peter Noevers Natur-Architektur-Inszenierung perfekt, stürzt nicht wieder ein Teil zusammen, wie bereits 1981 geschehen, als eine Wand einkrachte.
Noevers »Grube« gibt der natürlichen Topographie eine künstliche Bedeutung. Die Adaptierung des 200jährigen Weinkellers ist Ausdruck einer »freien« Architektur, die sich schrittweise mit dem Ort auseinandergesetzt hat und mittlerweile rituelle Aspekte mit einbezieht. Denn die betonierten Keller, Gruben und Gräben erinnern mit ihrer skulpturalen Geometrie an kultische Kraterstätten alter Druiden. Die raumgreifenden Formen aus Rechteck, Quadrat und Kreis konstituieren bei Noever ein Bezugssystem, das aus dem Wohnort gleichzeitig ein transzendentes Landschafts-Bau-Programm macht. Der alte Weinkeller — jetzt Wohnhaus — der Steinbruch und die weinbergige Umgebung stehen in einem neuen »organischen« (P.N.) Zusammenhang, der bauliche und natürliche Akzente zu vereinigen sucht.
Wie die Künstlerhäuser seiner bauenden Kollegen ist auch Noevers Grube ein konzeptionelles Demonstrationsobjekt privater Utopie. Doch die strengen Formen der Grube und der Rückgriff auf traditionelle Perspektiven in die Landschaft lassen bei Peter Noever die konservative Sehnsucht nach harmonischer Idealität durchscheinen. Die Betonkuben und linearen Gräben gleichen autonomen Kraftakten, die die Architektur förmlich nach Plan in die Erde gehauen haben, ohne Rücksicht auf ihren ursprünglichen Zweck. Der Grubenanlage zugrunde liegt ein nostalgisches Formenexperiment, vergleichbar mit den spielerisch- phantastischen Gärten höfischer Antikenverehrer.
Der genius loci Grube erhält von Noever durch seine Architektur die Bedeutung einer bewohn- und begehbaren Skulptur, deren archaische Formen noch das stille Örtchen überhöhen. Das hat auch seine unbestreitbaren Vorteile. So ist das bunkermäßige Toilettenhaus ein schlichtes wie elegantes Klo: Abseits der Grubengräben steht der längliche Doppelklosettbau, neben dem ein rechteckiges Betonplateau mit eingelassenen Sitzen für die Wartenden liegt. Wie alle Grubenbaukörper ist auch das Klohaus blütenweiß gestrichen. Das Innere hat eine sakrale Atmosphäre. Aus einem Messinghahn fließt Wasser in einen eingelassenen Waschtisch. Es erinnert an ein Taufbecken. Über drei Stufen ist die thronartige Höhe zur gemeinsamen Benutzung zu erreichen. Ein Doppeltrockenklosett! Einfach, klassisch, genial. Wen der burgenländische Heurige in die Blase zwickt, der kann beim Sitzendpinkeln durch Sehschlitze in die umliegenden Weinberge spähen. Im Stehen geht das nicht. rola
Die Ausstellung Die Grube ist bis zum 9. März in der Galerie »Aedes«, täglich von 10 bis 18.30 Uhr, zu sehen. Es erscheint ein Katalog.
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