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Andere Nachrichten über den Krieg

■ Oldenburger Initiative sammelt Fakten, die unter den Tisch fallen

“Zwei Tage nach Kriegsbeginn waren wir so empört, besonders über das Frühstücksfernsehen, daß wir beschlossen haben, Nachrichten aufzustöbern, die offensichtlich unter den Tisch fallen.“ Marijke Gerwin, Oldenburger Kunst-und Germanistikstudentin, war von Anfang an dabei. Zusammen mit etwa 12 deutschen und ausländischen UnterstützerInnen produziert sie zweimal in der Woche die Oldenburger Blätter „Die Kehrseite — Nachrichten zum Golfkrieg aus anderer Sicht.“

Schwerpunktmäßig geht es um Aktivitäten der Friedensbewegung in und um Oldenburg, die von der örtlichen Presse nur selten aufgegriffen werden. „Wir wollen zeigen, was läuft, und vor allem, das was läuft“, sagt Marijke, „damit die Leute auf der Straße sich ein vollständiges Bild vom Widerstand und dem Krieg machen können.“ Um auch die „andere Seite“ zu zeigen, hat sich die Gruppe etliche Zeitungen sowie in-und ausländische Radiosendungen zur Auswertung aufgeteilt. Die Informationen werden zusammengetragen, nach ausführlicher Diskussion gedruckt und in der Innenstadt, in Schulen oder einzelnen Wohnblocks kostenlos verteilt — zweimal in der Woche je 10.000 Stück. „Was wir dabei von Anfang an vermieden haben, sind Analysen über Imperialismusstrategien oder Kapitalismusthesen. Das schreckt Leute, die sonst nur Bild lesen eher ab“, sagt sie.

Ihre Arbeit, so findet Marijke Gerwin, lohnt sich, selbst wenn es immer wieder Leute gibt, die die Blätter gleich in den Papierkorb wandern lassen. Die Gewerkschaften jedenfalls hätten inzwischen großes Interesse an „der Kehrseite“. Besonders NGG, ÖTV und die GEW würden immer öfter Exemplare anfordern. Und: „Unsere erste Nummer ist sogar von der GEW finanziert worden, das waren immerhin 400 Mark“. Sonst lebt „die Kehrseite" von Spenden. Ein großes Problem bei der Arbeit: Um fremdsprachige Sendungen auswerten zu können, müssen weitere ausländische MitarbeiterInnen gewonnen werden. „Viele haben aber Angst oder sind zu sehr betroffen, um bei einer Zeitung mitzuarbeiten“, sagt Marijke. Auch würden sich Ausländer ganz schnell zensiert fühlen, gerade wenn es darum ginge, nicht in Schlagwörtern zu reden. „Für die ist Imperialismus Realität aber für uns klingt das inzwischen abgedroschen und platt.“ bz

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