: Schlechte Zeiten für die Interflug-Airbusse
■ Der Markt für gebrauchte Flugzeuge ist derzeit völlig ohne Nachfrage/ Neben dem Golfkrieg auch durch Rezession verursacht
Hamburg (ap) — Innerhalb von drei Tagen tauchten am Markt für gebrauchte Flugzeuge in Deutschland und England zwölf Großraumjets auf: Drei Airbusse der Interflug, allesamt noch nicht sehr alt und von der Deutschen Airbus und der Lufthansa im Topzustand gehalten, und neun schon etwas betagtere Lockheed TriStar von British Airways (BA). Wann sie aber gekauft werden, weiß noch niemand.
„Während der Krise tut sich nichts, der Markt steht still“, sagt Heiner Wilkens, Direktor für Materialwirtschaft bei der Lufthansa in Hamburg. Die Fluggesellschaften sind angesichts der wegen Terrordrohungen ausbleibenden Passagiere so verunsichert, daß sie sich auf nichts einlassen. „Sie warten“, meint Wilkens, der sicher ist, daß das Geschäft sofort wieder anläuft, wenn der Krieg am Golf vorbei ist.
Dennoch sind die Goldgräberzeiten für Flugzeugverkäufer wohl erst einmal vorbei. Es ist noch nicht lange her, da kostete ein gebrauchtes Flugzeug in gutem Zustand zwar weniger, als ein gleich großes ab Werk, aber mehr, als es einst neu gekostet hatte. Der Grund war der Boom im Luftverkehr, der die Lieferfristen bei den drei großen Flugzeugherstellern Boeing, Airbus und McDonnell Douglas auf einige Jahre hatte anschwellen lassen.
Jetzt stellen in den USA viele Airlines schon mal für länger einige ihrer Flugzeuge einfach ab, darunter die nicht mehr zeitgemäßen Boeing 727. „Die stehen meist auf Flugplätzen in der Wüste, weil sie dort in der Trockenheit nicht rosten“, sagt Wilkens. Auch in Europa bleiben manche Flugzeuge wegen der zurückgegangenen Nachfrage am Boden. Dort halten sie länger, und dazu kommt die Unsicherheit über den Verlauf der Wachstumskurven. Zudem werden aus dem gleichen Grund weniger neue Flugzeuge bestellt.
Auch das drückt auf den Markt: British Airways vertagt die Indienststellung von sechs Boeing 767, Aero Lloyd schiebt seine Order für die neuen Großraumjets MD-11 hinaus, die Lufthansa zögert mit der Abnahme eines Jumbos. Allein dieses eine Flugzeug ist eine Investition von etwa 220 Millionen Mark; nur die genannten vorerst nicht gekauften Maschinen bedeuten Milliardenlöcher im amerikanischen Bruttosozialprodukt. Und wenn schon der Kauf neuer Maschinen hinausgeschoben wird, dann steht es um gebrauchte erst recht schlecht.
Wilkens, der bei der Lufthansa Flugzeuge kauft und verkauft, schätzt den Second-Hand-Markt auf weltweit etwa 250 Stück. Insgesamt fliegen um den Erdball 7.500 Jets. Davon sind in Afrika 370 und in Südamerika 450 registriert. „Der Bedarf an gebrauchten Maschinen ist da nicht so groß, wie man sich das gemeinhin vorstellt. Wir versuchen schon seit einiger Zeit, den Fernen Osten als Markt zu erschließen, aber dort kaufen die meisten nur neue Flugzeuge.“
Was kostet nun ein Gebrauchtflugzeug? „Gerade hat Delta Air Lines aus der Konkursmasse von Eastern Airlines zehn TriStar-One gekauft, für zusammen 60 Millionen Dollar“, berichtet Wilkens. Diese recht alten dreistrahligen Lockheed- Großraumjets für den amerikanischen Kontinentalverkehr hätten vor der Krise das Doppelte, also zwölf Millionen Dollar pro Stück, gekostet. „Nun kauft man aus einer Konkursmasse immer günstiger“, sagt der Marktkenner, der Unterschied sei aber doch signifikant.
Die etwa gleich großen und gleich alten DC-10 gelten im Gegensatz zu den TriStars noch nicht als überholt: „Die spielen noch im kommenden Jahrzehnt eine Rolle“, meint Wilkens. Die Lufthansa habe im vergangenen Jahr eines davon ganz verkauft, für einen Preis zwischen 35 und 40 Millionen, und drei weitere verkauft, aber gleich wieder zurückgemietet, um Geld in die Konzernrücklage einzustellen.
Trotzdem deutet der Lufthansa- Manager an, daß es seinem Unternehmen gerade jetzt nicht zupaß kommt, daß der Gerbrauchtflugzeugmarkt stagniert. „Wir wollen uns ja eher verkleinern“, sagt er als Begründung dafür, daß die Westlinie die Ost-Airbusse nicht kaufen will. Es wären die einzigen überhaupt konkurrenzfähigen Maschinen aus dem Interflug-Erbe. „Der Interflug- Liquidator wird es eh schwer haben, die Airbusse zu verkaufen“, meint Wilkens. Vor kurzem habe in Amerika eine Leasingfirma pleite gemacht, die gerade von einer kanadischen Fluglinie fünf Airbusse desselben langstreckentauglichen Typs gekauft hatte. „Die sind uns schon angeboten worden, und das haben wir auch abgelehnt“, sagt Wilkens.
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