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Bayerns Bevölkerung setzt auf Müllverbrennung

Volk entscheidet gegen das „Bessere Müllkonzept“ der Bürgerinitiativen/ Entwurf der Landesregierung mit 51 Prozent denkbar knapp bestätigt/ BUND-Vorsitzender wertet trotzdem die große Zustimmung zum Alternativkonzept als Erfolg  ■ Von Mirjam Schaub

München (taz) — Tausende von Ratten, Gestank, Brände und giftige Sickerwässer“ — so unkten die Christdemokraten vor dem bayerischen Volksentscheid über das „Bessere Müllkonzept“ — wird es nun im Freistaat doch nicht geben: 1.926.126 Bayern votierten am Sonntag für den Gesetzentwurf von Staatsregierung, Senat und Landtag und übertrumpften so mit 51 Prozent die von BürgerInnen initiierte Alternative, die 43,5 Prozent an Jastimmen erhielt. Knapp 8,3 Millionen WählerInnen waren zum siebten Volksentscheid nach 1946 an die Urnen gerufen, um erstmals in der bayerischen Abstimmungsgeschichte über eine umweltpolitische Frage zu entscheiden: Was soll mit den fünf Millionen Tonnen Müll passieren, die jährlich im Freistaat anfallen?

Die Antwort der meisten BürgerInnen fiel dann so aus: Wenigstens Glas, Papier, Metall und all das, was heute schon einen Abnehmer findet, soll getrennt gesammelt werden. Die Entsorgung leisten weiterhin die Landkreise. Was nicht in den Stoffkreislauf zurückgeführt werden kann, darf verbrannt werden. Die geplanten Müllverbrennungsanlagen in Schweinfurt, Augsburg, München-Nord, Burgkirchen, Weißenhorn und Schwandorf werden folgerichtig mit 1,5 Milliarden DM von der Staatsregierung subventioniert, ebenso wie 176 Deponien. Für den Generalsekretär der CSU, Erwin Huber, stand am Wahlabend fest: „Die Entsorgung in Bayern ist auch in Zukunft sichergestellt.“ Im Vorfeld des Volksentscheids hatte nicht nur Ministerpräsident Max Streibl den politischen Aschermittwoch dazu genutzt, die Mannen auf den Entwurf der Landesregierung einzuschwören; auch die „Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung“ (Nr. AI 7/AI 3.2161-273), die mit der Wahlbenachrichtigung in die Haushalte flatterte, beklagte am „Besseren Müllkonzept“ „erhebliche Vollzugs- und Sicherheitsprobleme“, fürchtete „in der Praxis“ große Restmüllmengen und resümierte, warum der Landtagsentwurf die „erheblichen Nachteile des Volksbegehrensentwurfs“ vermeide.

Doch das Oberste Bayerische Verwaltungsgericht glaubte weder an eine Beeinflussung der Wähler noch an die Notwendigkeit, das Alternativkonzept mit seinem tatsächlichen Namen auf den Wahlzetteln aufzuweisen. Vor allem in den 71 Landkreisen mit der Vorhut Bamberg — die mit 70,9 Prozent den Landesentwurf bejahte — muß sich das Gerücht von fünf verschiedenen Containern vor der Haustür und siebenfach erhöhten Abfallgebühren, das die Landesregierung verbreitet hatte, hartnäckig gehalten haben.

Jedenfalls verzichten landesweit 49,2 Prozent der BürgerInnen mit dem „Besseren Müllkonzept“ auch auf folgendes: den Ausstieg aus der Verbrennungswirtschaft, die nicht nur mit CO und CO2 den Treibhauseffekt anheizt, sondern — bei Kunststoffen — hochgiftige Dioxine in die Umwelt schleust; die Chance, auch Sammlung, Lagerung und Transport von Sonderabfällen verbindlich zu regeln; den Anreiz, für sinkende Abfallmengen weniger bezahlen zu müssen und die Kostenersetzung für Gutachten, Einwendungen und Rechtshilfe, die bei Genehmigungsverfahren entstehen.

Hubert Weinzierl, der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), sagte nach der Bekanntgabe des vorläufigen Endergebnisses: „Die CSU hat wohl verstanden, daß es hier um mehr als eine Sachfrage ging: nämlich um das grundsätzliche Bekenntnis für oder gegen die Verschwendungsgesellschaft. Denn gerade der Wille zur Müllverbrennung ist eine Absage an die Müllvermeidung. Müllverbrennung ist ein Automatismus.“ Trost wollte Weinzierl an diesem Abend nicht, auch wenn die Stimmung der fünfhundert Menschen im Münchner Löwenbräukeller nach 21 Uhr umgeschlagen war. „Nur sieben Prozent Stimmen weniger als die Staatsregierung — welche politische Partei hat das in Bayern je geschafft? Das ist ein Riesenerfolg.“

Die unermüdliche Uta Philipp war als Vorsitzende des „Besseren Müllkonzepts“, das 100 Initiativen mit je 500 bis 1.800 Mitgliedern zusammenfaßt, zuletzt auf drei Veranstaltungen täglich und warb für den Ausstieg aus der Verbrennungswirtschaft. Warum sollte sie Trübsal blasen? „Wir haben diese Staatsregierungen zu einem Gesetz gezwungen, das ohne uns nicht denkbar wäre. Jetzt werden wir uns dafür einsetzen, daß die Verschärfungen zum alten Gesetz auch wirklich durchgesetzt werden.“

Tatsächlich sind Zweifel angebracht, ob die Staatsregierung selbst Interesse an der Durchsetzung hat, denn alle Argumente, die sie gegen das Begehren geltend machte, zielten auf die Praxis: „Das geht eben nicht“ war das Motto, so als wären Gesetze nicht dafür gedacht, eine veränderte Wirklichkeit zu schaffen.

Doch angesichts der Entscheidungskriterien, die bei diesem Volksentscheid in die Waagschale gefallen sind, bleibt wenig Aussicht auf Veränderung. Zwar votierten die Städter allemal für das „Bessere Müllkonzept“, sprachen sich 65,8 Prozent der MünchnerInnen dafür und 63 Prozent gegen den Landesentwurf aus. „Doch das windige „Argument“, die komplexe Materie Müll sei höchstens „intelligenten Städtern“ klarzumachen, zieht in diesem Fall nicht. Die Verbrennungsanlagen belasten in Bayern ganz konkret die Landkreise, die euphorisch für die Fortsetzung dieser Politik gestimmt haben. Wegen zu hoher Dioxinwerte hat man in Ingolstadt gerade vor zwei Wochen zwei Verbrennungslinien dichtgemacht. Trotzdem stimmte die Mehrzahl der Bevölkerung für den Landesentwurf. Wer nicht hören will, kann auch nicht riechen.

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