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Dear Schpoozie

■ Der Krieg im Spiegel von Liebesgrüßen

Liebe und Krieg waren noch nie ein so feindliches Paar von Gegensätzen, wie das populäre Friedenssehnsucht („Make love, not war“) annahm. Schon die griechische Mythologie paarte den hochgerüsteten Kriegsgott Mars mit der leichtgeschürzten Liebesgöttin Aphrodite. Und schon begann der Zoff, nicht nur im Olymp. Das christliche Gebot „Liebet eure Feinde“ hat erst kürzlich US-Minister Cheney in der langen Tradition frommer Heerführer interpretiert, als er „In Liebe, für Saddam“ auf eine Bombe schrieb. Verräterisch auch die Alltagssprache, Ausfluß unseres Seelenlebens: Wir „belagern“ Geliebte, „erobern“ sie, Gefühle richten „Verheerungen“ an und wenn der Partner schließlich „gewonnen“ ist, mündet der Zweikampf in den Ehekrieg.

Was allerdings der gegenwärtige trauliche Frontspaziergang in der Wüste an Verheerungen in Herz, Verstand und auf den Zungen mancher US-Jungs und -Mädels angerichtet hat, was er an kreativer Sprachkraft explodieren ließ, das schlägt schon Bombenkrater ins Gemüt. Die „Valentine's Day Messages“, weltweit verbreitet von der 'International Herald Tribune‘, beweisen es. Sicher, traditionell Schlichtes à la „Ach mein Gänschen/ Far in München/ Will You be my Valentine?“ überwiegt. Doch derlei anspruchslose Schalmeienklänge sind definitv out, Kriegstrompeten in.

Und die klingen so: „Simin, im Wüstensturm meines Lebens soll deines immer der Brückenkopf all meiner Liebe sein. Und gerade wegen deiner überwältigenden („engulfing“) Abwehr: Aufgepaßt auf meinen amphibischen, spritzenden Sturmangriff voller Küsse!“ Der martialische Text schließt drohend: „Love always. K.“ „assault“ (Sturmangriff) bedeutet übrigens auch, durchaus K.s Sprachduktus gemäß, „Vergewaltigung“.

Oder so: „Mädchen mit den blauen Augen, du hast wie eine Patriot-Rakete mein Herz getroffen. Jetzt kann uns nicht mal mehr eine Scud trennen. Love, Paco.“ Doch, Paco, die Scud könnte euch trennen. Auch sonst scheinst du waffentechnisch einiges zu verwechseln in der Liebe: Die Patriot ist eine Abwehrrakete. Pech, Paco.

Kehren wir lieber reuevoll zurück zur Lektüre kuscheliger Kosenamen wie „Hoi min Schatz“ und „Dear Schpoozie“ oder erfreuen uns an holprigen, aber unkriegerischen Limericks in derselben Rubrik: „There once was a girl from Lichtenstadt/ whom when we met I know I liked a lot/ but that our years together/ should go on for ever/ was something I woulda never thougt.“ ci

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