piwik no script img

Der letzte Schuß vor den Bug der Großtanker

■ Paris hat gewonnen, die Besetzung in La Ciotat war vergeblich: Frankreichs letzte Mittelmeergroßwerft schließt endgültig

Paris (taz) — Es ist aus für die Tankerwerft von La Ciotat. Am Montag wurde der Lotse über Bord geworfen: Das Marseiller Handelsgericht verfügte die Auflösung der Firma Lexmar-France. Der schwedisch- amerikanische Multikonzern hatte zugesichert, an Frankreichs letzter traditioneller Mittelmeerwerft wieder Großtanker zu bauen. Doch der Widerstand der französischen Regierung und die Auswirkungen des Golfkriegs setzten das Projekt auf Grund.

Damit droht der zweijährige Kampf von 105 Werftarbeitern gegen die Logik des kapitalistischen Strukturwandels beendet zu sein. 276 Tage lang hatten die Schiffsschweißer ihre Werft besetzt gehalten, nachdem die liberale Regierung Chirac 1986 die Konzentration des französischen Schiffbaus an der Kanalküste Nordfrankreichs beschlossen hatte. Dann trat im August 1989 Lexmar auf den Plan und kündigte an, mittels umfangreicher Investitionen wieder Supertanker in La Ciotat bauen zu können, einem Provence- Städtchen, das seit 150 Jahren vom Boots- und Stahlschiffbau lebt. Besetzer und Gewerkschaft unterstützten das Projekt, die Pariser Regierung kritisierte es als „absurd“, angesichts der Wettbewerbsstärke ostasiatischer Werften.

Nachdem Lexmar vom Departement im August letzten Jahres die Konzession für das Werftgelände bekommen hatte, fehlten nur die Werkzeuge, um den ersten Tanker auf Kiel zu legen. Die gehörten jedoch einer staatseigenen Bank, welche auf Pariser Weisung hin die Kooperation verweigerte. Gleichzeitig drohte Brüssel, zwei Milliarden Francs (680 Millionen DM) ausgezahlte Werftschließungssubventionen zurückzufordern, falls je wieder ein Tanker in La Ciotat gebaut würde.

Mit der Invasion Kuwaits verdüsterten sich die Aussichten im Tankerbusineß. Das Mutterhaus von Lexmar-France spricht heute schon von einer Milliarde Francs Verlust aufgrund stornierter Aufträge. Den bereits angestellten Arbeitern wurden seit August keine Gehälter mehr gezahlt. Im Dezember wurde Lexmar zur Gehaltsrückzahlung verurteilt, wenig später meldete das Unternehmen Konkurs an. Das Handelsgericht von Marseille gab Lexmar noch sieben Wochen Zeit, um neue Geldgeber zu finden. Am Montag war die Frist um, und in Zukunft werden nur noch Yachten und Jollen in La Ciotat zusammengebaut, keine Tanker mehr.

Die Gewerkschaft CGT kündigte an, die Werft weiter besetzt zu halten: „Das Gericht hat nicht alle Möglichkeiten gesucht, um eine Liquidation zu vermeiden“, meint CGT- Sekretär Bernard Lacombe. Im Tankergeschäft gehe es wieder aufwärts, und erst vor wenigen Tagen hätten die Werften an der Kanalküste fünf neue Bestellungen bekommen. 500 Exwerftarbeiter versammelten sich am Montag unter dem immensen Laufkran der Werft, dem Wahrzeichen einer Stadt, die es so, wie sie bisher war, bald nicht mehr geben wird. Alexander Smoltczyk

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen