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Teilsieg

■ Noch ist die Position der USA zu Gorbatschows Offerte an Irak unklar KOMMENTARE

Trotz offiziell verbreiteter Skepsis deuteten zumindest bis gestern nachmittag auch einige Anzeichen daraufhin, daß Bush zu einer Beendigung des Golfkrieges bereit ist — vorausgesetzt, Irak verpflichtet sich zum bedingungslosen Rückzug aus Kuwait auf Basis der Vorschläge Gorbatschows. Möglicherweise stellt Washington noch zusätzliche Bedingungen, wie etwa die Forderung, daß die irakischen Soldaten beim Rückzug aus Kuwait alle Waffen abgeben. Ein Eingehen auf eine diplomatische Lösung mag auf den ersten Blick im Gegensatz stehen zu dem Eindruck, den die US-Politik seit Kriegsbeginn vermittelte. Mit wachsendem „Erfolg“ der inzwischen über 80.000 Luftangriffe wurden die Stimmen gegen ein durch Diplomatie herbeigeführtes „vorzeitiges“ Ende des Krieges lauter.

Bis hoch in die Administration hinein wurde unverhohlen die Beseitigung Saddam Husseins von der politischen Macht in Bagdad, ja seine physische Vernichtung zum Kriegsziel erklärt. Diese Mißachtung des in der UNO-Resolution festgelegten Mandats blieb bei den Verbündeten der USA ebenso unwidersprochen, wie die in aller Öffentlichkleit diskutierten Planspiele des Pentagon, letzten Endes bis Bagdad zu marschieren. Vor dem Hintergrund dieser von ihr selbst gezüchteten Erwartungen dürfte Bush einige Erklärungsschwierigkeiten haben, wenn er jetzt anstatt den Befehl zum Bodenangriff zu geben, den Stop der Luftattacken anordnen sollte. Tatsächlich jedoch ist das bislang in der „Kampagne“ gegen Irak Erreichte aus Washingtoner Sicht sehr zufriedenstellend: Die Massenvernichtungwaffen Iraks und eine großer Teil seines militärischen Potentials wie der zivilen Infrastruktur des Landes sind zerstört. Für die in Washington gehegte Erwartung, daß Saddam diese Niederlage innenpoltisch nicht lange überlebt, spricht einiges. Bislang sind die Verluste in den eigenen Reihen äußerst niedrig: 16 tote, 23 verwundete und 30 vermißte GIs. Doch diese Bilanz könnte sich selbst mit einem nur kurzen Bodenkrieg rapide verschlechtern. Und auch die Kriegsausgaben würden sich wohl schnell erhöhen.

Am wichtigsten jedoch ist für die Bush-Administration, was — im Unterschied zu sämtlichen bisherigen Erklärungen und Offerten aus Bagdad — in Gorbatschows Vorschlagspaket nicht mehr enthalten ist: die Forderung nach Rückzug sämtlicher alliierter Truppen aus der Golfregion. Damit hat Washington — quasi sanktioniert durch Moskau — freie Hand für die künftige Stationierung von Streitkräften in der Golfregion zur militärischen Absicherung der „neuen Nahost-Ordnung“, an der im State Department derzeit gebastelt wird. Andreas Zumach, Washington

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