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Joschka Fischer über Ströbeles Position zu Israel entsetzt

■ Ströbele macht Israel für Raketenangriffe des Iraks verantwortlich/ Fischer: Ströbele macht sich zum Büttel Saddam Husseins/ Erinnerungen an die Israel-Kontroverse 82

Berlin (taz) — Ein Interview des Bundesvorstandssprechers der Grünen, Hans-Christian Ströbele, anläßlich seiner gestern begonnenen Israelreise (siehe Seite 10), ist in der Partei heftig kritisiert worden. Der Fraktionschef der hessischen Grünen und zukünftige Umweltminister Joschka Fischer ist über die Äußerungen des Sprechers seiner Partei „entsetzt“. Inhaltlich werde von Ströbele „zweimal wiederholt, daß die irakischen Raketenangriffe die fast zwingend logische Konsequenz der Politik Israels sind“. Dies sei, so Fischer, eine „entsetzliche Position“. Der hessische Spitzenpolitiker der Grünen kann darin keine andere Logik sehen „als die verbrecherische Logik Saddam Husseins“. Die „pervertierte Machtlogik“ des irakischen Diktators und seine „imperialen Interessen“ hätten zum Angriff auf den Iran, zur Okkupation Kuwaits und jetzt zum Raketenbeschuß Israels geführt. Der Realpolitiker gegenüber der taz: „Man muß klar unterscheiden zwischen den Motiven des Gewaltherrschers in Bagdad und einer Kritik an der Politik Israels gegenüber den Palästinensern.“ Zu einer Position zu gelangen wie Ströbele und zu behaupten, „die irakischen Raketenangriffe auf Israel sind die logische, fast zwingende Konsequenz der Politik Israels, heißt, sich zum Büttel Saddam Husseins zu machen“.

Für die Grünen wird das, was ihr Vorstandssprecher da geäußert hat, „einen großen Schaden annrichten“. Fischer hofft, daß Ströbele in der Partei damit „isoliert ist“. Daß ein Sprecher des Bundesvorstands eine solche Position vertreten könne, zeige wieder einmal, „wie unselig auf der Bundesebene Grüne mit ihrer Verantwortung hantieren“. Im übrigen schwäche „diese Position die Friedensbewegung enorm, wenn sie nicht entschieden zurückgewiesen wird“. Es sei gegenwärtig ohnehin ungeheuer schwer, Position zu beziehen, aber man mache dies unmöglich, gerade unter friedenspolitischen Gesichtspunkten, „wenn man solch eine entsetzliche Verdrehung der Tatsachen vornimmt“.

Wenn ein Land überfallen wird, dann habe es Hilfe und Schutz verdient. Fischer versteht die Position des Bundesvorstands seiner Partei nicht, die auch Ströbele noch einmal betont habe, Israel die Hilfe bei den Abwehrmitteln zu verweigern. Er könne zwar aus allgemein pazifistischen Gründen, die er nicht teile, eine solche Position begreifen, aber er könne dies nicht, wenn gleichzeitig den Palästinensern, den Nicaraguanern und den Salvadorianern das Recht zugesprochen werde. Ströbele befinde sich auf einer „schlimmen abschüssigen argumentativen Bahn“. Fischer wertete die Politik des Bundesvorstands als einen Versuch „all das, was wir hier mühselig mit den Händen aufbauen, souverän mit dem Gesäß wieder abzuräumen“. Das sei die Form von Politik, „die die Grünen auf Bundesebene kaputtgemacht hat“. Auf die Frage, ob der Bundesvorstand weiter tragbar sei, meinte Fischer, „die sollen erst mal zurückkommen. Dann wird man sehr energisch mit denen reden müssen, was sie der Partei, den Grünen insgesamt und was sie der deutschen Friedensbewegung mit solchen haarsträubenden Positionen antun.“ „Das ist ein Tritt von hinten in die Kniekehlen der Friedensbewegung.“

Neben Fischer äußerte sich auch der ehemalige Fraktionssprecher der Grünen, Helmut Lippelt, gegenüber der taz: Ströbeles Äußerungen erinnerten ihn an einen anderen grünen Skandal mit Israel, den er überwunden glaubte. 1982 war eine grüne Delegation mit Jürgen Reents nach Israel und Jordanien gefahren und hatte schon vor Beginn der Reise eine Schlußerklärung formuliert, in der Israel für alle Spannungen in der Region verantwortlich gemacht worden war. Dies hatte die Grünen in Israel um ihre politische Glaubwürdigkeit gebracht. Danach versuchte eine zweite Delegation mit Waltraud Schoppe, Dietrich Wetzel und Otto Schily die politischen Scherben in Israel wieder einzusammeln.

mtm

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