Bonn dreht Berlin den Geldhahn zu

■ Finanzminister Waigel setzt Abbau der Berlinförderung bis Ende 1994 im Kabinett durch/ Senat will Bonner Haushalt im Bundesrat nicht zustimmen

Berlin/Bonn. Der Bundesfinanzminister ließ gestern die Katze aus dem Sack: In der Kabinettssitzung in Bonn legte er einen Gesetzesentwurf zum Abbau der Zonenrand- und Berlinförderung vor, der am 13. März abschließend im Bundeskabinett beraten werden soll und dann in den Bundestag geht. Der Entwurf von Theo Waigel bestätigt die Gerüchte, die seit Monaten kursieren und insbesondere immer wieder die Berliner Koalitionsverhandlungen belasteten. Die gesamte Berlinförderung soll nach dem Wunsch des Ministers bis Ende 1994 abgebaut werden — einschließlich der achtprozentigen Arbeitnehmerzulage für Westberliner, im Volksmund Zitterprämie genannt. Das Ziel des Finanzministers ist es nach eigenem Bekunden, den »Fördervorsprung von Berlin (West) gegenüber dem Ostteil der Stadt und den neuen Bundesländern unter Vermeidung sozialer Härten und struktureller Brüche in der Wirtschaft der Stadt« abzubauen.

Der Berliner Senat reagierte gestern empört auf die Nachrichten aus Bonn: Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen wies das Paket als »nicht akzeptabel« zurück. Zum ersten Mal drohte die Berliner CDU in Richtung Bonn. »Der Berliner Senat sieht sich notfalls veranlaßt, seine Unterstützung für das gesamte Steuer- und Finanzpaket der Bundesregierung in Frage zu stellen«, erklärte Diepgen. Im Klartext heißt das, Berlin werde notfalls im Bundesrat dem Haushalt nicht zustimmen. Auch sein Finanzsenator Elmar Pieroth bezeichnete die Entwürfe als »nicht befriedigend«. Es handele sich aber lediglich um ein »Zwischenergebnis«, das im Laufe der Haushaltsberatungen im Bundestag mit dem Berliner Senat noch geregelt werden müsse. Ein entsprechender Passus sei in dem Gesetzesentwurf vorgesehen.

Der Abbau der Zulage soll, wie bereits mehrfach berichtet, am 1. Juli dieses Jahres beginnen und dann stufenweise vollzogen werden. In diesem Jahr soll die Zulage um zwei Prozent auf sechs Prozent gekürzt werden, am 1. Januar 1992 um ein weiteres Prozent. 1993 soll sie auf drei Prozent, 1994 dann auf zwei Prozent gesenkt werden. Das Gesetz sieht auch eine Regelung eines in Berlin umstrittenen Problems vor: Es löst geschickt die Frage, ob ein Westberliner, der in Ostberlin arbeitet, weiterhin die Berlin-Zulage kassiert oder nicht. Wer in einem Dienstverhältnis steht, das bereits vor dem 3. Oktober 1990 bestand, braucht auf die Vergünstigung nicht zu verzichten. Drastisch gekürzt werden soll ab 1. Juli auch die Herstellerpräferenz, die Westberliner Betriebe steuerlich begünstigt. Gänzlich wegfallen soll ab Jahresmitte die sogenannte Abnehmerpräferenz, die westdeutsche Abnehmer von in Berlin produzierten Waren begünstigte. Lediglich im Bereich des Wohnungsbaus ist die Bundesregierung den Berliner Wünschen ein wenig entgegengekommen: Hier wird der Rotstift bei Krediten erst Ende des Jahres angesetzt.

Alarmiert reagierte gestern die IG Metall Berlin-Brandenburg. Ihr Vorsitzender Manfred Foede geißelte die Bonner Pläne als »Schlag gegen die Lebensinteressen Berlins«. kd