piwik no script img

David mit und ohne Gasmaske

■ Nightrider und David mit Maske, Dienstag, ZDF und RTL 19.30 Uhr

„Hier, schreib doch was über Aids in Rio“, hieß es von der Medienredaktion lapidar. „Dienstag abend, 19.30 Uhr“. „Okay“, sagte ich. Ist ja auch ein Riesenproblem. Nur wird über Aids kaum noch berichtet. Immer nur Golfkrieg.

Aber Dienstag ist auch Nightrider-Tag. Ein krasser Planungsfehler, der mir da unterlaufen war; und ich wußte, mein Sohn würde ihn unnachgiebig ahnden. Zwar konnte ich ihn durch eine längere Diskussion von der Wichtigkeit meines Tuns überzeugen, aber den Commander behielt er in der Hand. Als dann der Bericht über Aids ausfiel und statt dessen eine Reportage über den Alltag mit der Gasmaske in Israel kam, half nicht Flehen noch Protestieren: Die pechschwarze Waffe im Dienst von „Recht und Verfassung“ blieb Sieger. Gegenspieler von Angelface David (ohne Maske) Hasselhoff war diesmal ein Bösewicht im Kampfhubschrauber. Man geht schließlich auch hier mit der Zeit. Da donnern die bösen kleinen Raketen und zisch — was für eine Rauchwolke — und rums, hat das geknallt! Es ist wie CNN für die Kleinen. „Du guckst doch auch immer Krieg“, sagt meiner, als ich ihn während der Kampfhandlungen mit moralischen Fangfragen störe.

Endlich kann ich umschalten und bin plötzlich in einem Saal mit vielen Menschen und einer Unmenge gestapelter Pakete: Gasmasken. Jeder bekommt eine. Ein Mann erklärt den Gebrauch der „Masken“, wie sie hier sagen. Ein Kind wird gezeigt mit dem Riesending in der Hand. Mein Kleiner sieht mich mit großen Augen an. Nun fährt die Kamera nahe ans Gesicht einer alten Frau. Einen Moment lang scheinen ihre Augen vollkommene Verwirrung auszustrahlen. Als sähe sie — plötzlich — das unfaßbar Wahnsinnige, das hinter der schon alltäglich gewordenen Bedrohung steckt.

Eine andere läßt sich vor ihrem zerbombten Haus in Tel Aviv interviewen. Sie ist traurig und rät allen, darüber nachzudenken, was es für einen Menschen bedeutet, „keinen Schlüssel mehr für sein Haus zu haben“. „Schon jetzt ist klar“, meint Werner Schreiber der Reporter vor Ort, „es wird alles anders sein, nach dem Krieg.“ Etwas habe sich verändert im Leben der Menschen, noch nicht richtig faß- aber doch spürbar.

Obwohl ich nur die letzten zehn Minuten sah, war mir sofort klar: Das was hier gezeigt wurde, war längst überfällig. Daß diese Reportage anscheinend auch notwendig war, hat die Delegation der Grünen in Israel durch ihre tölpelhaften Äußerungen leider auch bewiesen.

Und was denken unsere Waffenhändler und Gehilfen, wenn sie einen solchen Film sehen? Daß man in der Produktpalette etwas umdisponieren müßte, mehr Gasmasken zum Beispiel? Solchen Schutzmaßnahmen stünden doch auch die Politiker dann wieder aufgeschlossen gegenüber. Man sollte diesen Bericht öfter wiederholen. Vor allem während der Prozesse gegen die Waffenschieber. Sofern sie jemals stattfinden. Philippe André

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen