: Treuhand: Nur die Hälfte der Arbeitsplätze sicher
■ Für 1,8 Millionen Ostdeutsche wenig Hoffnung/ Erst 600 Privatisierungen
Bonn (dpa) — Von den derzeit etwa 3,65 Millionen ostdeutschen Beschäftigten in den ehemals volkseigenen Betrieben der Berliner Treuhandanstalt wird nur etwa die Hälfte ihren Arbeitsplatz behalten können. Das erklärte Treuhand-Vorstandsmitglied Klaus-Peter Wild am Mittwoch in Bonn im Wirtschaftausschuß des Bundestages. Die Neigung der Wirtschaft, in den ostdeutschen Bundesländern zu investieren, sei rückläufig. Die Standortqualität im Osten sei noch nicht so, daß sie Investoren hinreichend positiv erscheine.
Weitere Probleme seien die „überwältigenden“ Altlasten und die vereinbarten „enorm teuren“ Sozialpläne. Bei Entlassungen müßten im Durchschnitt drei, manchmal sogar sechs Monatsgehälter Abfindung gezahlt werden. Dazu kämen 106 Milliarden D-Mark Altschulden der Unternehmen, für die die Treuhandanstalt derzeit Zinsen zahle. Die Treuhand habe einen gewissen Ermessensspielaum, um Schulden zu erlassen. Die Stärkung der Eigenfinanzierungskraft der Betriebe sei aber vor allem ein rechtliches Problem. Auch der Zusammenbruch der osteuropäischen Staatswirtschaften erschwere die Situation weiter.
Die SPD-Fraktion bewertete diese Anlayse als „Katastrophe“. Sie fragte nach dem regional- und strukturpolitischen Konzept, das den Privatisierungen, Sanierungen und Stillegungen zugrundeliege. Wild erklärte, daß dies nicht Aufgabe der Treuhandanstalt, sondern der neuen Länder sei. Die CDU/CSU-Abgeordneten betonten, man könne mit dem Erreichten nicht zufrieden sein, müsse aber auch sehen, daß die Erneuerung der Treuhandanstalt erst im Herbst begonnen habe.
Der für Privatisierungen zuständige Direktor der Treuhand, Eberhard Sinnecker, teilte in Frankfurt mit, bisher habe die Treuhand etwas über 600 von insgesamt 9.000 ostdeutschen Unternehmen privatisiert. Westdeutsche Unternehmer, die Betriebe in den neuen Bundesländern übernehmen wollen, rief Sinnecker dazu auf, ihr Interesse bald anzumelden. „Es ist wie an der Börse, irgendwann fährt der Zug ab“, lockte Sinnecker. Anfang März will die Treuhand einen Katalog mit einer Liste zum Verkauf stehender Unternehmen veröffentlichen.
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