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Kurzer Frühling der Diplomatie

■ Iraks Vizepremier reist nach Peking/ Özal macht Telefondiplomatie/ EG-Gremien uneinig über Gorbatschow-Initiative/ Iraks stellvertretender Ministerpräsident in China

Dhahran/Ankara (afp/ap) — Während der Warteperiode bis zum möglichen Beginn eines Bodenkrieges am Golf versuchen mehrere nicht unmittelbar beteiligte Regierungen, doch noch in letzter Minute diplomatisch aktiv zu werden. Chinas Ministerpräsident Li Peng empfing gestern in Peking den stellvertretenden irakischen Ministerpräsidenten Saadum Hammadi zu einem Gespräch. Hammadi kam aus Moskau, wo er an den Verhandlungen zwischen Gorbatschow und Tarik Aziz teilgenommen hatte. China ist ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat und hatte sich der Stimme enthalten, als im November die Resolution 678 zur Erlaubnis der Anwendung militärischer Mittel gegen den Irak verabschiedet wurde.

Auch der türkische Präsident Turgut Özal bemühte sich offenbar, Einfluß auf die USA zu nehmen. Er telefonierte am Dienstag abend mit Irans Präsident Rafsandjani und dem US- Präsidenten Bush. Türkischen Zeitungsberichten zufolge bat Rafsandjani den türkischen Präsidenten, seinen Einfluß auf die USA geltend zu machen, damit die Entscheidung über eine Bodenoffensive zunächst zurückgestellt werde. Es werde einige Zeit dauern, den Irak zum Rückzug aus Kuwait zu bewegen.

Der saudische Botschafter in der Türkei, Abdulaziz al-Khojah, erklärte am selben Tag, im Falle eines Rückzugs aus Kuwait würde sein Land keine Probleme mit dem Irak haben. Riad trachte nicht nach einer Bestrafung Saddam Husseins. Saudi-Arabien wolle die territoriale Integrität des Irak aufrechterhalten und sei gegen die Gründung eines unabhängigen Kurdenstaates.

Luxemburg/Straßburg (dpa) — Die EG-Außenminister verabschiedeten auf einer Sondersitzung in Luxemburg am Dienstag eine Erklärung, wonach die EG die Friedensinitiative Gorbatschows „mit Interesse zur Kenntnis“ genommen habe. Sie begrüßten vor allem den Appell des sowjetischen Präsidenten an den Irak, seine Truppen bedingungslos aus Kuwait zurückzuziehen. Daß US-Präsident Bush zur selben Zeit negativ auf den Gorbatschow-Vorschlag reagieren würde, war den Außenministern offenbar nicht bekannt. Hinterher sagte Jacques Poos, EG-Ratspräsident und luxemburgischer Außenminister, die EG könne auch „ohne Bezugnahme auf amerikanische Texte“ diskutieren und Entscheidungen treffen. „Dies haben wir heute bewiesen.“

Das Europaparlament kritisierte gestern, daß nur vier der zwölf EG- Außenminister über den Inhalt der Gorbatschow-Initiative informiert worden seien. In einer Debatte in Straßburg forderten die Parlamentarier die Gemeinschaft dringend auf, selbst diplomatische Initiativen zur Beendigung des Krieges zu ergreifen. Sozialisten und Liberale warfen dem Ministerrat Untätigkeit und mangelnde Koordination diplomatischer Maßnahmen vor. „Der Golfkrieg hat uns zum Europa der Einzelstaaten zurückgeführt“, sagte der Fraktionsvorsitzende der Liberalen, Valery Giscard d'Estaing.

Bis Mittwoch blieb Italien die einzige alliierte Kriegspartei, die Unterstützung für den sowjetischen Plan bekundete. Ein Berater von Ministerpräsident Giulio Andreotti meinte, der Premier habe gesagt, Moskau verlange von Irak einen bedingungslosen Rückzug aus Kuwait. Saddam Hussein solle seine Truppen einen Tag nach Beginn einer Waffenruhe abziehen. Die Iraker dürften dann nicht angegriffen werden. BRD-Außenminister Genscher meinte, Gorbatschows Plan sei im Kern ein „Appell“ an den Irak zum bedingungslosen Rückzug. Gegen die Sowjetunion sei „eine dauerhafte Friedensordnung in dieser Region nicht möglich“.

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