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„Gebumst wird immer“

■ Erika Bergers tröstliche Botschaft im trostlosen „Stern-TV“

Ach, mit welchen Vorschußlorbeeren hatte man das Stern TV doch vor der ersten Sendung bedacht. Schließlich war es nicht nur gelungen, mit Günther Jauch den kritischsten unter all den kritische Moderatoren des Aktuellen Sportstudios zu verpflichten, sondern auch noch die pfiffige Désirée Bethge dem WDR-Magazin ZAK abspenstig zu machen. Und großzügig räumten wir dem Team nach den ersten enttäuschenden Sendungen eine Schonfrist ein.

Doch es wurde besser. Seitdem sich Frau Bethge zur Berichterstattung nach Bonn abgesetzt hat, steht „charming“ Günther allwöchentlich allein im Regen und versucht zu retten, was nicht mehr zu retten ist. Und auch interessante Studiogäste scheinen immer weniger gewillt zu sein, sich Albernheiten wie dem „Alltagstest“ zu unterziehen.

So ist man dazu übergegangen, sie schlicht aus dem hauseigenen Bestand an RTL-Bildschirm-Koryphäen zu rekrutieren. Frau von Sinnen war schon da, letzte Woche gab man Chefkommentator „Karlchen“ die Ehre und nun also Erika Berger. Doch wie sie da im Kleinen Schwarzen ohne ihr vertrautes Sofa erstaunlich unsicher von einem Fuß auf den anderen trat, war auch schon klar, daß sie die Folge kaum mit „brisantem Schweinkram“ bereichern würde.

Die ansonsten übliche Stellungnahme zu „zehn Schlagzeilen der Woche“ ersparte man ihr (und uns) dankenswerterweise und ließ sie statt dessen eine (ausgewogene) Umfrage zu ihrer Person beschmunzeln. Aber als wolle man ihr wenigstens das Gefühl vermitteln, nicht völlig fehl am Platze zu sein, folgte ein wahrlich erschütternder Beitrag über die zunehmende Unfruchtbarkeit des deutschen Mannes.

Schließlich durfte auch der Bericht zum Krieg nicht fehlen. Was sich die Verantwortlichen allerdings bei dem Geniestreich gedacht haben mögen, die Bilanz der westlichen Waffenlieferungen an den Irak in eine kindgerechte Erzählung vom „Panzerkanonier Joe Brown aus Virginia“ im kriegerischen Wettstreit mit „Abdullah Salimani aus dem Irak“ zu verpacken, dürfte auf immer ihr Geheimnis bleiben.

Und Désirée Bethges Porträt des brandenburgischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe war eigentlich nur zu entnehmen, daß Regieren ein hartes Brot ist, dem man nur mit morgendlichen Liegestützen gewachsen ist. Dazwischen fragte der Günther die Erika (nun auf dem vertrauten Sofa) inmitten einer aufwendig-albernen Dekoration, ob denn ihre Sendung wegen des Krieges ausfalle. Nein, natürlich nicht. Denn, so habe ihr ein Freund versichert, „gebumst wird immer!“ Auch wenn man darauf vielleicht noch selbst gekommen wäre, die Botschaft hat etwas Tröstliches. Weit trostloser hingegen der Umstand, daß es eigentlich auch schon der informativste Beitrag war, den das Stern TV an diesem Abend zu bieten hatte. Reinhard Lüke

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