Filzokratie und Grieschismus

■ Ein Lustspiel: Warum Gutachter K. nicht anders konnte als sich selbst gut zu achten

In einer Kleinstadt kennt nicht nur jeder jeden, jeder hat auch mal was mit jedem gehabt. Als der Bewerber für eine Stelle an der Hochschule für Öffentliche Verwaltung (HfÖV), Detlev Griesche, der Berufungskommission einen Vorschlag für einen Gutachter machen sollte, da fiel ihm sofort Detlef Kuhlenkamp ein. Kein Wunder, die beiden kennen sich aus einem Lustspiel mit drei Akten.

Erster Akt: Im Studiengang Weiterbildung an der Universität war eine Stelle ausgeschrieben. Richtig öffentlich, nicht wie im Falle der HfÖV nur im Amtsblatt. Der Senator wollte damals die Universität „konsolidieren“. Mehrere Bewerbungen lagen vor, unter anderem die von dem Weiterbildungsreferenten des Senators, und der hieß damals Kuhlenkamp. Die Berufungskommission setzte Kuhlenkamp nicht auf Platz eins, sondern entschied sich für einen anderen. Bevor die Berufungsliste zum Senator geht, kann der zuständige Fachbereichsrat sie verändern. Dort saß Rainer Gausepohl für die Mitarbeiter. An der Spitze einer ÖTV-Delegation kreuzte Detlev Griesche bei ihm auf und erklärte, er müsse gegen die Berufungsliste und für Kuhlenkamp auf Platz eins stimmen. Gausepohl prüfte die Bewerbungsunterlagen und fand die Entscheidung der Berufungskommission in Ordnung. Der Fachbereichsrat kippte die Liste nicht, der Senator berief dennoch seinen Weiterbildungsreferenten.

Zwischenspiel: Als Gausepohl später auf der ÖTV-Vertrauensleuteversammlung wieder als Vertreter im Fachbereichsrat kandidieren wollte, erhob Griesche Einspruch: Dem Kandidaten sei „gewerkschaftsschädigendes Verhalten“ vorzuwerfen, sagte Griesche. (Merke: Eine Berufung ist eine parteiliche Sache.)

Zweiter Akt: Als Griesche Anfang der 80er eine Reihe von Bildungsurlaubs-Konzepten als „kumulative Dissertation“ einreichte, konnte sich Kuhlenkampf revanchieren: Er schrieb ein positives Gutachten. Die Promotionskommission war vom Gegenteil überzeugt und nahm die eingereichte Arbeit nicht an.

Zwischenspiel: Kein Wunder, daß Griesche auf die Frage nach einem geeigneten Gutachter jüngst bei seiner Bewerbung an der HfÖV sofort Kuhlenkamp einfiel. Diesmal war die Sache Bombensicher. Das Gutachten kann nicht gekippt werden, weil die Berufungskommission der HfÖV nicht nach Prüfung der wissenschaftlichen Arbeit urteilt, sondern nur nach Lektüre der Gutachten.

Dritter Akt: Kuhlenkamp bestätigte Griesche gutachterlich, daß seine Veröffentlichungen „promotionsadäquat“ seien. D.h. der Gutachter bestätigte sich selbst per Gutachten, daß er Griesche damals zu Recht für eine „kumulative Promotion“ vorgeschlagen hatte. Rosi Roland