Mit dem Binnenmarkt droht in Europa der Bananen-Krieg

■ Die große „Dollar-Banane“ gegen die kleine „Kolonial-Frucht“/ Deutschtum im Ausland und Hinterbliebene in Bonn sorgten für die bislang zollfreie Einfuhr in die BRD/ Vor allem die französische Regierung befürchtet die Verdrängung der karibischen durch die lateinamerikanischen Importe

Brüssel (afp) — Als 1957 die Regierungschefs der damals sechs Mitgliedsstaaten in Rom die Gründungsverträge für die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft unterzeichneten, hatten sie vier Tage Verspätung und nervenaufreibende Verhandlungen hinter sich. Die Idee des gemeinsamen Marktes drohte an einem „sensiblen Punkt“ zu scheitern — dem Streit um die Einfuhr von Bananen. Während Frankreich seine damals noch nicht unabhängigen Besitzungen in Afrika und die Überseeprovinzen in der Karibik schützen wollte, dachte Bonn an den Erhalt seiner billigen Einfuhren aus Lateinamerika. Die Lösung des Konflikts war ein typischer EG-Kompromiß, der jedem Staat erlaubte, weiter zu machen, was er wollte — vom gemeinsamen Markt keine Spur. Wenn die Europäer jetzt weitergehen und ab 1993 ihren einheitlichen Binnenmarkt verwirklichen, kommt der Streit um Bananen erneut auf die Tagesordnung. Hinter den Kulissen der EG-Behörden haben bereits die Vorbereitungen begonnen für das, was in den kommenden Monaten zum europäischen Bananenkrieg zu werden droht.

Antagonisten dieses Konflikts sind die schon äußerlich deutlich zu unterscheidenden Bananen aus Amerika und ihr afrikanisch-karibischer Konkurrent. Die lateinamerikanische Frucht — von französisch beeinflußten Experten schlicht „Dollar-Banane“ genannt — übertrifft ihren Rivalen an Größe, Festigkeit und Haltbarkeit und vor allem: Sie ist viel billiger. Die von Paris protegierte Banane soll dagegen mehr Geschmack haben, wird aber schneller schwarz und unappetitlich. Es geht aber nicht um eine akademische Auszeichung für den besten Geschmack, sondern um bares Geld. Die 340 Millionen VerbraucherInnen in der EG haben weltweit den größten Appetit auf Bananen. Sie verzehren jährlich drei Millionen Tonnen — mit Zuwachsraten von 100.000 Tonnen jedes Jahr — und geben dafür rund 600 Millionen Dollar aus.

Deutschlands Bananenmarkt profitiert in der EG von einer einzigartigen Ausnahme, die den zollfreien Import von jährlich festgelegten Quoten zuläßt. Dieses Privileg war von den Deutschen 1957 erfolgreich verteidigt worden. Die guten Geschäftsbeziehungen Deutschlands zu den Pflanzern Lateinamerikas stammen nach Angaben von Experten aus der unmittelbaren Nachkriegszeit, als Deutsche, die 1945 ihre Heimat verließen, in das örtliche Bananengeschäft einstiegen (so werden aus Faschisten Flüchtlinge — d. Red.). Seit Anfang der fünfziger Jahre begannen sie im großen Stil zollfrei in die alte Heimat zu liefern. In den sechziger Jahren wurden diese Plantagen dann von den großen US-Konzernen (United Brand, Dole, Del Monte) aufgekauft.

Im Rahmen der Bananenprotokolle importierte die Bundesrepublik 1957 insgesamt 290.000 Tonnen zollfrei; 1990 waren es 890.000 Tonnen. Die Verdreifachung der deutschen Bananeneinfuhren macht die französische Lobby mißtrauisch. Rund 200.000 Tonnen der zollfrei eingeführten Früchte würden re-exportiert, nach Osteuropa, aber entgegen den Vereinbarungen auch in die EG. Deutsche Bananen-Experten begründen die Zunahme dagegen mit dem gestiegenen Appetit der Deutschen auf die Tropenfrucht, besonders seit der Öffnung der DDR- Grenzen. „Da geht nichts raus“, so der Kommentar eines deutschen Experten in Brüssel zu den Re-Exportvorwürfen. 1990 importierte die BRD die Rekordmenge von mehr als einer Million Tonnen Bananen. Der Pro-Kopf-Verbrauch der BundesbürgerInnen lag damit bei 13 Kilo gegenüber acht Kilo 1962.

Neben Frankreich, das seine Bananen vor allem von den Antillen bezieht, schützen auch andere EG- Staaten Erzeuger, zu denen sie historische Beziehungen haben, mit Zöllen gegen die Dollar-Banane. Großbritannien kauft seine Bananen in den alten karibischen Kolonien und Italien in Somalia. Spanien und Portugal bevorzugen heimische Erzeuger auf den kanarischen Inseln und auf Madeira.

Mit dem Wegfall der Binnengrenzen im einheitlichen EG-Markt fürchtet die Lobby der Kolonial-Bananen, von der Dollar-Konkurrenz überschwemmt zu werden. Bei der Ankunft in europäischen Häfen ist die Dollar-Banane um 40 bis 60 Pfennig je Kilo billiger als ihre Konkurrenz. Dies schlägt sich auch im Endverkaufspreis nieder, der in Deutschland unter drei Mark je Kilo liegt, während französische Kunden fast vier Mark zahlen.

Frankreichs Minister für die Übersee-Departements, Louis Le Pensec, steht in der Pflicht, sich für den Erhalt der 45.000 Arbeitsplätze einzusetzen, die in Guadeloupe und Martinique vom Bananenanbau abhängen. Im Januar hat er der EG- Kommission seine Vorstellungen für einen geregelten Bananen-Binnenmarkt vorgelegt. Die Dollar-Bananen sollten nur eine bestimmte Quote der europäischen Einfuhren ausmachen dürfen und mit einem Einfuhrzoll von 20 Prozent belegt werden. Hinzu käme eine Abgabe von 20 US- Cents (30 Pfennig) je Kilo. Die Einnahmen aus dieser Abgabe sollten nach Ansicht der französischen Lobby den Erzeugern der Dollar-Bananen zurückgegeben werden, damit sie andere Exportmärkte erschließen oder andere Produkte anbauen.

Experten aus anderen Ländern ist diese Vorstellung ein Greuel, vor allem mit Blick auf die ohnehin schon durch den Agrarhandel belasteten Verhandlungen im Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (Gatt). In Brüssel ist jetzt die EG-Kommission gefragt. Sie soll noch in der ersten Jahreshälfte ihre Vorstellungen vorlegen. Bei den gegensätzlichen Erwartungen der Vertreter des freien Welthandels und der Lobbyisten der europäischen Überseebananen, kann sie dabei wohl nur Kritik ernten, zumal sie auch die Interessen der afrikanischen Anbieter nicht vergessen sollte, denen die EG in den Lome-Vereinbarungen freien Marktzugang zugesichert hat. Für die deutschen Bananenhändler wird mit dem EG-Binnenmarkt auf alle Fälle die Zeit der zollfreien Sonderrolle vorbei sein. Die Zölle dürfen sie aber ohne großes Zögern an die bananenhungrigen Verbraucher weitergeben.