piwik no script img

Bush lehnt sowjetisch-irakischen Plan abUSA verweigern jedwede Konzession

■ Nach gemeinsamer Auffassung von Administration und der Mehrheit im Kongreß ist der Krieg zu 90 Prozent gewonnen / Saddam Hussein soll „Heldenrolle verwehrt werden“

Die Bush-Administration hat gestern den sowjetischen Friedensplan in der Form, wie er nach dem Gespräch zwischen dem sowjetischen Präsidenten Gorbatschow und Iraks Außenminister Asis in der Nacht zum Freitag in Moskau veröffentlicht worden war, abgelehnt. Zugleich verlangte die US-Regierung, daß Irak am heutigen Samstag mittag mit dem Rückzug seiner Truppen aus Kuwait beginnt. Eine entsprechende Forderung wurde zeitgleich auch in den Hauptstädten der 28 Golfkriegspartner der USA veröffentlicht. In ihr sind auch Forderungen nach Veränderungen des Friedensplans enthalten. Nur durch deren Erfüllung — so Bush — sei eine Beendigung des Krieges möglich. US-Verteidigungsminister Cheney sprach sich erneut gegen einen Waffenstillstand am Golf aus. Das Pentagon widersprach der Darstellung des Regierungsrundfunks in Bagdad, wonach der Bodenkrieg gegen Irak in der Nacht zum Freitag begonnen habe. Pentagon-Sprecher bestätigten allerdings eine weitere Eskalation von Landattacken gegen irakische Einheiten in Kuwait. Bis Redaktionsschluß blieb unklar, ob und wann der UNO-Sicherheitsrat sich an diesem Wochenende mit dem Thema Golfkrieg befassen wird.

Bush verlangte, daß der Rückzug heute mittag um zwölf Uhr beginnt. Zuvor müsse Saddam Hussein „öffentlich“ erklären, daß er die Forderung nach „bedingungslosem und vollständigem Rückzug akzeptiert. Nach Informationen aus dem State Department gehören zu der Liste von Nachbesserungen bzw. Erweiterungen des Friedensplans u.a. folgende fünf Forderungen: die Festlegung eines genauen Zeitrahmens für den vollständigen Abzug der irakischen Truppen; die sofortige Einstellung der Scud-B-Raketenangriffe auf Israel; eine spezifische Erläuterung, welche UNO-Resolutionen zu welchem Zeitpunkt aufgehoben werden sollen; die Verpflichtung Iraks zur Zahlung von Reparationen sowie eine verbindliche Erklärung Bagdads, daß die Annexion und Besetzung Kuwaits null und nichtig ist.

In einem halbstündigen Telefonat hatte Gorbatschow Bush am Freitag abend über das Ergebnis seiner ersten Gesprächsrunde mit Asis unterrichtet. Bush und seine engsten Berater berieten daraufhin bis tief in die Nacht und konsultierten einige der gegen Irak verbündeten Regierungen. In einer noch während der Beratungen abgegebenen offiziellen Erklärung von Präsidentensprecher Fitzwater war von „ernsten Bedenken“ gegenüber „einigen der Punkte“ die Rede. Nach Ende der Beratungen teilte ein Vertreter der Administration inoffiziell gegenüber Journalisten mit, der Friedensplan in seiner bis dahin vorliegenden Form sei „abgelehnt“ worden.

Zahlreiche Äußerungen von führenden — republikanischen wie demokratischen — Mitgliedern des US-Kongresses sowie Angehörigen früherer Administrationen machten deutlich, daß es für Präsident Bushs skeptisch bis ablehnende Haltung innenpoltisch große Unterstützung gibt. Der demokratische Vorsitzende des Streitkräfteausschusses im Abgeordnetenhaus, Les Aspin, meinte, der Krieg gegen den Irak sei bereits „zu 90 Prozent gewonnen“. Wer jetzt Konzessionen mache, damit Saddam sein Gesicht wahren könne, verhelfe ihm zu einer Heldenrolle in der arabischen Welt und werde in wenigen Jahren wieder mit dem Problem Saddam Hussein zu tun haben, erklärte Aspin weiter. Die „Koalition“ müsse Saddam jetzt „eine klare Forderung mit Fristsetzung auf den Tisch legen“. Die demokratischen Senatoren Dale Bumpers und James Exon verlangten bzw. erwarteten, daß Präsident Bush die im Friedensplan vorgesehene Aufhebung der Sanktionen gegen den Irak ablehnt. Führende republikanische Senatoren wie der Fraktionsführer Robert Dole plädierten ähnlich wie Vertreter der politischen Rechten außerhalb des Kongresses für eine endgültige Zurückweisung des Friedensplanes. Sie stellten darüber die Rolle der Sowjetunion in Frage und äußerten zum Teil den Verdacht, Moskau wolle den Irak möglicherweise noch vor dem vollständigen Rückzug aus Kuwait wieder Waffen liefern.

Der frühere Außenminister Kissinger verlangt, Mindestbedingung für einen Waffenstillstand müsse die Fristsetzung von „wenigen Stunden zwischen Beendigung der alliierten Bombardements und dem Beginn des irakischen Rückzugs sein. Andernfalls wahre der Irak die Chance zur Neugruppierung und Auffrischung seiner militärischen Kräfte. Mit eben dieser Begründung lehnte Verteidigungsminister Cheney in einer Anhörung vor dem Senat einen Waffenstillstand erneut rundweg ab.

Am UNO-Hauptquartier in New York wurde damit gerechnet, daß der sowjetische Botschafter im Laufe des gestrigen Abends die Mitglieder des UNO-Sicherheitsrates über Verlauf und Ergebnis der Gespräche zwischen Gorbatschow und Asis unterrichtet. Es blieb zunächst völlig unklar, ob der Sicherheitsrat an diesem Wochenende die aktuelle Lage berät oder sogar neue Entscheidungen trifft. Eine Aufhebung von UNO-Resolutionen gegen den Irak, wie in der ersten Fassung des Friedensplans vor allem mit Blick auf die verhängten Wirtschaftssanktionen vorgesehen, kann nach Ansicht von US-Diplomaten und internationalen Rechtsexperten der Regierung nur durch eine erneute Beschlußfassung des Sicherheitsrates vollzogen werden. Tatsächlich wurde dies in der Geschichte der UNO bisher jedoch nur einmal so praktiziert: Im Dezember 1979 hob der Sicherheitsrat die 1968 gegen Rhodesien verhängten Sanktionen auf.

Vertreter der Bush-Administration ließen gestern keinen Zweifel daran, daß die USA von ihrem Vetorecht Gebrauch machen werden, um Entscheidungen des Sicherheitsrates zu verhindern, die die Strategie des Weißen Hauses gegenüber dem Irak behindern könnten. Andreas Zumach, Washington

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen