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Retrospektive zum zehntägigen Erfurter Theaterprojekt RAUS

Erfurt (taz) — Die Erfurter Städtischen Bühnen sind ein echtes Mehrspartentheater, mit Schauspiel und Ballett , Musiktheater und Kabarett, Puppenbühne und Sinfonieorchester. Das hat Vorteile. Im Moment interessiert jedoch im Magistrat der Thüringer Landeshauptstadt nur ein Nachteil, und zwar die hohen Kosten eines solchen Unternehmens.

Der Wunsch nach einem „Weniger-Sparten-Theater“ scheint aber etwas kurzsichtig angesiedelt. Man muß schon ein wenig „um die Ecke denken“, um Theater auch als finanzielle Gewinnquelle zu fassen. Um solche Ecken dachten jedenfalls Experten des Münchener Wirtschaftsforschungsinstituts IFO. Sie kamen bereits 1988 auf den Trichter, daß die bundesdeutsche Kultur zwar 6,1 Milliarden verschlang, aber dafür 15,7 Milliarden ins Staatssäckel zurückfließen ließ (1984). Der Leipziger Theaterwissenschaftler Dr. Roland Dreßler verweist in diesem Zusammenhang auf die sogenannte „Umwegrentabilität“: „Die Kommune gewinnt auf indirektem Wege durch ihre Kulturinstitutionen. So schaffen hundert Arbeitsplätze vierzig weitere in der Stadt. Taxifahrer, Gastronomie, Druckereien, Boutiquen und so weiter leben gut in der Nachbarschaft eines Theaterbetriebes — und zahlen ihre Steuern.“ Hinzu kommt, daß Erfurts Kulturleben ohnehin nicht mit dem in vergleichbar großen westdeutschen Städten konkurrieren kann. Daß Theatersäle der thüringischen Landeshauptstadt dennoch leerer denn je bleiben, ist jedenfalls keine Folge eines kulturellen Überangebots: „Das Theater ist ein Seismograph für Atmosphäre und Stimmung in der Bevölkerung“, sagt der scheidende Intendant Bodo Witte und meint dabei sowohl die Bühne als auch den Zuschauerraum. Für das zehntägige „Real-Absurde Utopie- Spektakel“ (RAUS, die taz berichtete) des Schauspielhauses traf das im besonderen Maße zu. Immerhin stiegen die Zuschauerzahlen von Tag zu Tag, die abschließende Premiere von Mrozeks Tango erlebte ein volles Haus. Es scheint (Gott sei Dank) doch noch so etwas wie Buschfunk zu geben, die Werbung litt ebenfalls unter Sparzwängen. Gespannt ist mensch in Erfurt auf das Konzept des aus Mainz gekommenen Herrn Taube, der — vom Erfurter Senat berufen — am 1. August als Generalintendant der Städtischen Bühnen antreten wird. Mathias Opatz

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