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Die »Frauen in schwarz« gibt es jetzt auch in Berlin

■ Nach dem Vorbild in Israel haben sich auch in Berlin »Frauen in schwarz« gebildet/ Dialog mit Frauen aus dem Nahen Osten ist nicht immer einfach

Berlin. Die ersten, die mit schwarzen Kleidern beharrlich immer weider ihren Protest gegen die Verletzung von Menschenrechten zum Ausdruck brachten, waren die argentischen »Mütter von der Plaza del Mayo«. Dieselbe Protestform, diesmal gegen die Besatzungspolitik ihrer Regierung gegenüber den PalästinenserInnen, wählten die israelischen »Frauen in schwarz«. Seit kurzem gibt es neben verschiedenen deutschen und italienischen Städten auch in Berlin eine solche Gruppe. Jeden Freitag um 17 Uhr halten zwischen 40 und 70 Frauen unterschiedlicher Nationalität an der Gedächtniskirche eine Mahnwache gegen Golfkrieg, Völkermord, Besatzungspolitik, Rüstungsproduktion und für die sofortige Einberufung einer Nahostfriedenskonferenz ab.

Kurz bevor sie zu ihrer Mahnwache aufbrechen, sitzen die drei »Gründerinnen« bei einer Tasse Tee zusammen. Ruth ist Jüdin, ihr Deutsch hat einen kleinen englischen Akzent, weil sie lange in England gelebt hat. Die israelischen Frauen in schwarz wollte sie »schon immer« unterstützen, den letzten Anstoß gaben ihr jetzt der Golfkrieg und der von der »Frauenaktion Scheherazade« verbreitete Aufruf florentinischer Frauen, weltweit jeden Freitag dem Vorbild der Israelinnen zu folgen. Kirsten ist Studentin der Islamwissenschaften und »einfach nur Deutsche«, Israels besetzte Gebiete kennt sie jedoch aus eigener Anschauung, und auch den dortigen »Frauen in schwarz« stand sie manches Mal zur Seite. Müjgan, die dritte Gründungsfrau, ist Deutsch- Türkin. Sie möchte die Gruppe auch dafür nutzen, um die Öffentlichkeit über die Situation von weiblichen israelischen, palästinensischen, türkischen, kurdischen, iranischen, irakischen Gefangenen zu informieren.

Kann man den Namen der »Frauen in schwarz« einfach so übernehmen? Darüber gab es auch schon einige Diskussionen innerhalb und außerhalb der Gruppe. Eine Palästinenserin beispielsweise wandte ein, dies sei ein Name, der mit der Opposition gegen die israelische Besatzung assoziiert werde, also könne man ihn nicht für die Berliner Gruppe verwenden. »Ganz so eindeutig ist das aber nicht«, sagt Müjgan, »es gab auch schon in der Türkei vor zwei Jahren eine Gruppe von Frauen in schwarz, die sich während eines Hungerstreiks politischer Gefangener auf die Straße legten. Natürlich können wir uns nicht anmaßen, für die Israelinnen unsere Stimme zu erheben. Aber wenigstens für die Kurdinnen und Türkinnen, die seit langem mundtot gemacht werden.«

Kritik mußten sich die »Frauen in schwarz« aber auch von Iranerinnen anhören, die die schwarze Kleidung mit dem Symbol fundamentalistischer Unterdrückung, dem Tschador, gleichsetzten. »Aber wenn eine Frau in anderen Kleidern oder nur mit einem schwarzen Schal bei der Mahnwache erscheint, würden wir sie bestimmt nicht wegschicken«, versichert Ruth. »Viel schlimmer ist, daß die arabischen Frauen bei den derzeit verschärften Ausländergesetzen große Angst haben zu demonstrieren.« Bei den Türkinnen sei das ähnlich, ergänzt Müjgan. »Das türkische Strafgesetz stellt die Kritik an der Regierung unter Strafe, und sie haben Angst, daß sie wegen Protestaktionen ausgebürgert werden oder ihr Paß beim türkischen Konsulat nicht mehr verlängert wird.«

Deswegen bemüht sich die Gruppe um Besuche bei ausländischen Frauenvereinen. »Es reicht nicht, die mal anzurufen und auf die Mahnwache aufmerksam zu machen«, sagt Kirstin. »Man muß zu ihnen hingehen. Lange haben die Deutschen den Kontakt mit den Ausländerinnen vernachlässigt, da kann man nichts ad hoc aufbauen. Der Dialog zwischen den Kulturen gehört zum wichtigsten, was man machen kann.« Dialog zwischen den »verfeindeten« Völkern im Nahen Osten — das ist Mittel und Ziel zugleich.

Aber der ist auch unter Frauen nicht immer leicht. So kam zum Beispiel von einigen Jüdinnen heftige Kritik an der — bei der Mahnwache in verschiedenen Sprachen vorgetragenen — Forderung »Stoppt das Völkermorden« auf. Völkermord hätten die Deutschen an den Juden verübt, die Kriegstoten seien damit nicht auf eine Stufe zu stellen. »Wir haben die Diskussionen darüber noch nicht abgeschlossen, ob wir einen anderen Begriff verwenden«, berichtet Kirstin. »Aber ich finde es sehr wichtig, daß überhaupt diskutiert wird«. »Und daß man auch nicht immer nur nett zueinander ist«, ergänzt Ruth.

Das nächste Treffen der »Frauen in schwarz« findet am morgigen Dienstag um 18 Uhr im Türkischen Frauenverein in der Urbanstr.115 statt. Und am Mittwoch um 18 Uhr stellt sich die Gruppe beim täglichen Friedensratschlag bei der Gedächtniskirche zur Diskussion. Ute Scheub

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