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Bürgerforum geteilt

■ Spaltung in „Bürgerpartei“ und „Bürgerbewegung“ verlief in Prag ohne scharfe Auseinandersetzungen

Prag (taz) —Das Bürgerforum ist tot! Es lebe die Bürgerbewegung! Mit diesen beiden Ausrufen läßt sich nicht nur das Ergebnis, sondern auch die Atmosphäre des außerordentlichen Kongresses der größten politischen Kraft der Tschechoslowakei beschreiben. Rund 170 Delegierte beschlossen an diesem Wochenende die Teilung des Bürgerforums (OF) in zwei selbständige Organisationen. Ohne die erwarteten scharfen Auseinandersetzungen einigte man — Frauen ergriffen nicht das Wort — sich darauf, daß weder die „Bürgerliche Demokratische Partei“ noch die „Demokratische Bürgerbewegung“ in Zukunft das Markenzeichen „OF“ für sich verwenden dürfen. Bis zum Beginn des nächsten Wahlkampfs bleibt dieses Recht allein dem übergeordneten und paritätisch besetzten Koordinationsausschuß vorbehalten. Er regelt gleichzeitig die weitere Zusammenarbeit der Abgeordneten. Eine Spaltung der OF-Fraktion — und damit eine Regierungskrise — wurde verhindert. Auf einem nach Abschluß des Kongresses stattfindendem Treffen rief Außenminister Jiri Dienstbier mit einer eindrucksvollen Rede die Erinnerungen an die Vergangenheit wach. Ziel des Bürgerforums sei es immer gewesen, eine Gesellschaft „ohne Angst zu schaffen“. Die in den letzten Monaten nicht nur im ganzen Land, sondern auch im OF immer stärker gewordene Jagd auf alle Andersdenkenden, auf ehemalige Kommunisten, müsse nun ein Ende haben. In diesem Punkt unterscheidet sich die Bürgerbewegung dann auch von der Bürgerpartei. In deren Beitrittserklärung findet sich eine Zeile, in der angegeben werden muß, ob der Unterzeichnende jemals Mitglied oder Kandidat der Kommunistischen Partei der CSFR war.

Mit dem Wunsch, weiterhin ein „Forum der verschiedensten Ansichten“ zu bilden, hat die Bürgerbewegung auch die Probleme des alten OF geerbt. Es ist mehr als fraglich, ob es gelingt, ein Programm zu entwerfen, das über nichtssagende Allgemeinplätze hinausgeht. Sabine Herre

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