piwik no script img

„Schwarzer Samstag“?

■ Gorbatschows Last-minute-Diplomatie zahlt sich aus

Die unermüdliche Betriebsamkeit der sowjetischen Führung zur Verhinderung des Bodenkrieges am Golf verwandelte sich Sonntag früh in betretenes Schweigen. Bis kurz vor Ablauf des Ultimatums hatte die sowjetische UNO-Delegation noch dafür geworben, den Waffenstillstand-Plan Gorbatschows in seiner Sechs-Punkte-Version mit den Forderungen des Ultimatums zu kombinieren. Der Präsidentensprecher Ignatenko sorgte für beträchtliche Verwirrung, als er kurz vor Toresschluß die Annahme der Bedingungen der Allianz durch den Irak in Aussicht stellte. Gorbatschow selbst absolvierte eine Non- Stop-Telefon-Tour von Europa über Japan zu den USA. Als klar wurde, daß die USA weder zu einer Verlängerung des Ultimatums noch zu inhaltlichen Kompromissen bereit waren, wechselte die Tonlage. Jetzt wurde die Übereinstimmung mit den USA in der Hauptsache, der sofortigen und bedingungslosen Räumung Kuwaits durch den Irak, herausgestrichen. Mahnende Abschiedsworte des Präsidenten der UdSSR an den heimkehrenden Außenminister Asis wurden kolportiert. Diese Annäherung an die „Koalition“ steht in scharfem Gegensatz zu der Bemerkung Jewgeni Primakows vom Freitag, die USA hätten sich die Folgen selbst zuzuschreiben, wenn sie die Friedensbemühungen der Sowjetunion mißachteten.

Dennoch ist die Eröffnung des Bodenkrieges kein „Schwarzer Samstag“ für Gorbatschow. Er hat den arabischen Staaten außerhalb der „Koalition“ und dem Iran unter Beweis gestellt, daß er sich redlich bemüht hat. Gleichzeitig hat er damit den Anspruch angemeldet, bei den Verhandlungen über die Golfregion nach Kriegsende als ebenso redlicher Makler in Anspruch genommen zu werden. Fraglich ist hingegen, ob seine Diplomatie innenpolitisch Früchte tragen wird. Die Armee-Betonköpfe verübeln ihm, daß er gegenüber den USA nicht klar Stellung bezogen hat. Die Demokraten argwöhnen, daß die außenpolitischen Manöver nur dazu dienen, den Einfluß der Militärs und des militärisch-industriellen Komplexes zu stärken. C.S.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen