: Gericht legt Morsleben vorläufig still
Genehmigung für das einzige bundesdeutsche Atommüll-Endlager ging bei Betreiberwechsel verloren/ Richter erwartet zügige endgültige Entscheidung über das Atommüllklo ■ Aus Hannover Jürgen Voges
Das einzige bundesdeutsche Atommüll-Endlager in Morsleben ist vom Senat für Verwaltungsrecht beim Bezirksgericht Magdeburg vorläufig stillgelegt worden. Auf Antrag der Braunschweiger Rechtsanwältin Claudia Fittkow erließen die Magdeburger Richter gestern eine einstweilige Anordnung, die es dem Bundesamt für Strahlenschutz bis auf weiteres untersagt, in dem ausgedienten Salzbergwerk bei Helmstedt „radioaktive Abfälle zu erfassen und einzulagern“. In seiner 27 Seiten starken Entscheidung setzt sich der Senat fast ausschließlich mit der Überleitung des ehemaligen DDR-Endlagers an den Bund auseinander und er kommt zu dem Schluß, daß das Bundesamt für Strahlenschutz das Endlager „ohne die erforderliche atomrechtliche Genehmigung“ betreibt. Innerhalb eines Monats muß die Braunschweiger Rechtsanwältin nun in der Hauptsache Klage auf Stillegung des Endlagers erheben. Bis zur Entscheidung in diesem Hauptsache-Verfahren darf das Bundesamt für Strahlenschutz in Morsleben weder radioaktive Abfälle annehmen, noch sie oberirdisch lagern, noch sie im Salzstock endlagern. Lediglich die weitere Überwachung der bereits eingelagerten Abfälle ist dem Atomamt von Bundesumweltminister Töpfer weiterhin noch gestattet.
„Gegenwärtig haben wir in Morsleben einen Betreiber, der keine Genehmigung hat und einen Genehmigungsinhaber, der längst nicht mehr Betreiber ist“, faßte gestern Hennig von Alten, der Vorsitzende des Magdeburger Verwaltungssenats, die komplizierte Rechtslage zusammen. Seit dem Sommer des vergangenen Jahres hat der Betreiber des Endlagers Morsleben insgesamt dreimal gewechselt. Ziel der Transaktionen war es, ein betriebsbereites Endlager mitsamt der Genehmigung in den Besitz des Bundes überzuleiten. Mit dem Einigungsvertrag wurde dafür sogar eine spezielle Klausel in das Atomgesetz eingeführt, die für zehn Jahre den Weiterbetrieb von sonstigen kerntechnischen Anlagen der ehemaligen DDR erlaubt. Die Nachprüfung durch das Verwaltungsgericht hat jetzt allerdings ergeben, daß die Betriebsgenehmigung nur beim ersten Eigentümerwechsel mit übertragen wurde. „Inhaber der allerdings seit Oktober schwebend unwirksamen Genehmigung sind immer noch die Energiewerke Nord, die aus der Privatisierung des ursprünglichen Betreibers des Kombinats ,Bruno Leuschner‘ hervorgegangen sind“, sagte Richter von Alten gestern. Bei den anschließenden Betreiberwechseln, erst zum Staatlichen Amt für Strahlenschutz und Sicherheit der DDR, das dann wiederum vom Bundesamt für Strahlenschutz übernommen wurde, habe man gar nicht erst versucht, auch die Betriebsgenehmigung zu übertragen.
Daß das Bundesamt für Strahlenschutz sich von den Energiewerken Nord noch im nachhinein die schwebend unwirksame Genehmigung übertragen lassen könnte, hält der Magdeburger Richter für schwer vorstellbar. Schließlich seien die Energiewerke ein Privatunternehmen, dem nach dem bundesdeutschen Atomgesetz der Betrieb von Endlagern überhaupt nicht erlaubt sei. Der Vorsitzende des Senats ging gestern davon aus, daß auch die Entscheidung in der Hauptsache zügig gefällt werden könnte, falls es zwischenzeitlich zu keiner Gesetzesänderung kommt, und wenn auch wieder nur über reine Rechtsfragen und nicht über Sicherheitsfragen entschieden werden muß.
Wieder Teil-Baustopp in Gorleben
Ein Teil der Bauarbeiten am Gorlebener Endlager für hochradioaktiven Müll muß demnächst wiederum eingestellt werden. Diesmal ist von dem Teil-Baustopp allerdings nicht der Endlagerschacht II, in dem seit Mittwoch wieder gearbeitet wird, sondern der Gorlebener Schacht I betroffen. Die gleiche Entscheidung des Verwaltungsgerichts Lüneburg, mit der am Mittwoch der Baustopp für den Schacht II aufgehoben wurde, verbietet es nach Auffassung des niedersächsischen Umweltministeriums in Hannover, weiterhin Salz aus dem Schacht I zu fördern. Falls das Bundesamt für Strahlenschutz auf seinem bisherigen Standpunkt beharre und mit der Aufhaldung von Salz fortfahre, werde das Umweltministerium dies untersagen und gegebenenfalls eine Anordnung dagegen erlassen.
Im Gorlebener Schacht I werden zur Zeit Dichtungsarbeiten am Übergang zwischen Deckgebirge und Salzstock ausgeführt. Nach Angaben der Betreibergesellschaft DBE soll allerdings die Förderung von Salz, das auf Halde in der Nähe der Schächte abgelagert wird, Anfang März wieder aufgenommen werden. Die Errichtung dieser Halde ist bisher nicht genehmigt.
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