Die Iraker stehen mit dem Rücken zur Wand

Die Iraker fühlen sich von ihren „arabischen Brüdern“ im Stich gelassen/ Für sie geht es nun nicht um Kuwait oder Palästina, sondern um ihre Heimat/ Die Landschlacht ist auch ein Kampf zwischen zwei Kriegsstrategien: Bagdad setzt auf langen Krieg  ■ Aus Bagdad Khalil Abied

Im Irak ist es die „Mutter der Schlachten“, in den USA die „Operation Desert Storm“ und in der Wirklichkeit eine Katastrophe, die mit dem Beginn der Landschlacht in eine neue Etappe getreten ist. Noch am Samstag waren viele Iraker mit der Hoffnung auf ein Wunder zu Bett gegangen, das in letzter Minute den Ausbruch des Bodenkrieges verhindern könnte. Die Bombardierung der irakischen Hauptstadt ging indes die ganze Nacht über weiter. Eine halbe Stunde vor Ablauf des Ultimatums schlugen sechs Cruise Missiles in Bagdad ein. Am nächsten Morgen, als die Nachrichten vom Beginn der Bodenkämpfe um Kuwait kommen, sind die Bewohner von Bagdad voller Bitterkeit. Die meisten fühlen sich von der ganzen Welt betrogen. Vor allem richtet sich ihre Wut und Enttäuschung gegen ihre „arabischen Brüder“; sowohl gegen diejenigen, die am Krieg gegen sie teilnehmen, als auch gegen die anderen, die sich heraushalten und bis jetzt nichts für sie getan haben.

Wer nun annimmt, daß diese Verbitterung die Moral der Bevölkerung schwächen würde, verkennt die Mentalität der Iraker. Die Iraker, so die Stimmung in den Straßen von Bagdad, fühlen sich mit dem Rücken zur Wand. Für sie geht es jetzt nicht um Kuwait und auch nicht um Palästina, sondern um ihre Heimat, den Irak. Und sie sehen keine andere Wahl, als nun ihre im Kampf stehende Armee zu unterstützen.

Daß es für die USA in dem Krieg um Kuwait geht, glaubt hier niemand mehr. „Es ist völlig egal, ob wir in Kuwait einmarschiert sind oder nicht, sie haben einen Plan, gegen den Irak Krieg zu führen, den Irak zu zerstören“, sagt mir ein Bagdader. Um so mehr Glauben wird dem geschenkt, was ihnen ihr Führer Saddam Hussein sagt. Und der machte in seiner Rede nach Ablauf des Ultimatums den Irakern klar, daß sie nur zwei Möglichkeiten haben: „Kämpft, und wenn ihr siegt, wird der Krieg für euch mit Ruhm und Ehre enden! Und wenn ihr den Kampf verliert, oh, das verhüte Allah, denn es wird ein tiefer Abgrund, eine lange, dunkle Nacht wird folgen.“

Diplomatische Kreise in Bagdad erklären, daß der Bodenkrieg auch ein Kampf zwischen zwei Kriegsstrategien sein wird. Während die Vereinigten Staaten auf einen schnellen, kurzen Krieg mit möglichst wenig eigenen Verlusten setzen, gründet sich die irakische Strategie im Gegenteil auf einen langen Krieg, der auch hohe Opfer unter den Soldaten in Kauf nimmt. Die Technologie spiele keine Rolle, wenn es zum Mann-gegen-Mann-Kampf kommt, hatte schon Saddam Hussein in seiner Rede den Irakern versichert, „dann entscheidet die Tapferkeit der Gläubigen über das Ergebnis des Kampfes“.

Das Kalkül der irakischen Führung zielt darauf ab, so die diplomatischen Kreise, den Krieg bis Mitte oder Ende März hinauszuziehen. Gegen Ende März wird es gewöhnlich sehr heiß und setzen Wüstenstürme ein, die die militärischen Operationen der USA und ihrer Verbündeten stark erschweren werden. Und schon Mitte März beginnt der islamische Fastenmonat Ramadan, in dem die religiösen Gefühle der Moslems auf der ganzen Welt besonders stark werden.

Wenn der Krieg noch einige Wochen andauert, so hofft die irakische Führung, wird der Druck auf die Regierungen der islamischen Länder — insbesondere Ägypten und Syrien — weiter zunehmen und die von den USA geführte Kriegsallianz letztlich zerbrechen.