piwik no script img

Giftige Rußpartikel sind die größte Gefahr

■ Der giftige Ruß der Ölbrände wird sich über ein Dreieck von Bagdad bis zum Himalaja und bis nach Somalia verteilen INTERVIEW

Professor Hartmut Graßl ist Chef des Max- Planck-Instituts für Metereologie in Hamburg und Mitglied der Klima-Enquetekommission des Deutschen Bundestages.

taz: Seit Monaten rechnen Wissenschaftler an Szenarien für die Auswirkungen eines Brandes der 950 kuwaitischen Ölquellen auf das Klima. Jetzt stehen nach amerikanischen Angaben rund 200 Quellen in Brand, wie ist der Erkenntnisstand?

Hartmut Graßl: Wir haben in Szenarienrechnungen vor drei Wochen die Auswirkungen durchgespielt. Am vergangenen Freitag haben wir das Ergebnis dem Klimabeirat der Bundesregierung präsentiert. Die Annahme war, daß über ein Jahr verteilt die gesamte Jahresproduktion in Höhe von 80 Millionen Tonnen verbrennt. Nach dem Szenario steigt nur ein kleiner Teil des Rußes in die höheren Regionen der Atmosphäre. Wenn der Ruß in den unteren Luftschichten bleibt, wird die betroffene Region im Dreieck Bagdad, Himalaja und Somalia liegen. Betroffen heißt, daß mehr als 100 Milligramm Ruß pro Quadratmeter an Niederschlag zu erwarten wäre.

Welche Konsequenzen sind für das Klima in Südasien zu erwarten?

Über die regionalen Klimaveränderungen in der Region läßt sich noch wenig sagen. Es wird zu zeitweiligen starken Abkühlungen durch die Rußwolken kommen. Großklimatische Veränderungen sind nicht erkennbar. Auch der indische Sommermonsun wird nach den Modellrechnungen nicht wesentlich geschwächt werden.

Sind Konsequenzen für das Klima im Norden zu erwarten?

Das freiwerdende Kohlendioxid und Schwefeldioxid spielt im Vergleich zur gesamten verbrauchten Energie eine nicht so entscheidende Rolle für den Treibhauseffekt. Da die Brände nicht genug Energie produzieren, wird der Ruß überdies kaum höher als zwei Kilometer steigen. Das Szenario des „nuklearen Winters“ ist damit sehr, sehr unwahrscheinlich. Auch die Ozonschicht wird nicht erheblich betroffen sein.

Lassen sich Vergleiche mit der Auswirkung einer Vulkanexplosion wie beispielsweise beim indonesischen Krakatau 1883 ziehen?

Bei der Explosion eines Vulkans wird wesentlich mehr Energie als bei den Ölbränden frei. Der Vergleich ist daher abwegig.

Iran hat mehrfach „schwarzen Regen“ gemeldet. Bis in welche Entfernungen können solche Erscheinungen auftreten?

Die ökologische Wirkung der Rußwolken wird weniger die klimatische sein als vielmehr die toxische Belastung durch den herabkommenden Ruß. Der Ruß ist nämlich mit erbgutverändernden und krebsverdächtigen Kohlenwasserstoffen belastet. Der giftige Ruß wird innerhalb von rund zwei Wochen nach seinem Freiwerden in den jeweiligen Hauptniederschlagsgebieten herabregnen. Das heißt also, im Sommer wird Nordindien betroffen sein.

Wie weit können sich einzelne Schadstoffe mit dem Ruß bewegen?

Die Schadstoffe sind ziemlich fest an den Ruß gebunden. Weil die Rußpartikel selbst aber wasserabstoßend sind, regnen sie erst dann herab, wenn die Anlagerung von wasseranziehender Schwefelsäure die Partikel zu Kondensationskernen in den Regenwolken macht. Nahe den Brandherden wird daher zunächst kaum etwas von dem Ruß herunterkommen. Dort ist der Ruß noch wasserabstoßend. Interview: Hermann-Josef Tenhagen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen