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Flüchten oder standhalten?

■ Gegen die Perspektivlosigkeit: Psychologische Hilfe und Rat beim Auswandern

Oranienburg. Seit Jahresbeginn arbeitet im Landkreis Oranienburg ein sozialpsychiatrischer Dienst. Ein Arzt, ein Psychologe, ein Soziologe und fünf Fürsorger versuchen, alle psychisch Erkrankten im Kreis zu erfassen und zu betreuen, nicht zuletzt, um in akuten Situationen schnell helfen zu können.

Wie die Leiterin Dr. Gabi Saborowski sagt, wird der Dienst stark in Anspruch genommen. Der Kreis Oranienburg hatte Anfang Februar etwa 6.000 Erwerbslose und nahm mit einer Arbeitslosenquote von 9,7 Prozent die erste Stelle unter den neun Kreisen des Arbeitsamtbezirkes Oranienburg ein. „Wir wollen verhindern helfen, daß Betroffene psychisch krank oder asozial werden“, so Dr. Saborowski. „Manche wollen auch nur ihr Herz ausschütten.“ Zweimal in der Woche hält die seit Jahren im Kreis tätige Psychiatrie-Ärztin Sprechstunde im Industriezentrum Hennigsdorf. Zunehmend hat sie mit Alkoholismus zu tun, der ihrer Ekenntnis nach auch aus der steigenden Arbeitslosigkeit resultiere. „Die Abhängigen haben oft viel Zeit, mit der sie nichts anzufangen wissen. Und sie haben meist noch genug Geld, um Alkohol zu kaufen.“ Andererseits stünden Alkoholiker, die noch Arbeit haben, besonders unter Druck, weil sie als erste von Entlassung bedroht seien.

Beratung ganz anderer Art bietet eine in der ehemaligen DDR einmalige Potsdamer Stelle: Sie berät auswanderungswillige Bürger. Die zumeist jungen Leute bis 30 suchen vor allem „wegen der großen wirtschaftlichen Unsicherheit als Hauptgrund“, der anhaltenden Ungewißheit in den neuen Bundesländern und wohl auch wegen purer Abenteuerlust ihr Heil im Ausland. Ganz oben auf der Wunschliste der ehemaligen DDR-Bürger, die sich hilfesuchend an die Potsdamer DRK-Stelle wenden, stehen die klassischen Einwanderungsländer, an erster Stelle die USA. Auch in Richtung Westeuropa gehen die Interessen. Doch wer in den Niederlanden oder in Großbritannien dauerhaft Fuß fassen will, muß wegen der dortigen angespannten Arbeitsmarktlage nicht selten mit abschlägigem Bescheid rechnen, berichtet Eugenia Gilge, die Leiterin der Beratungsstelle. „Alle, die aus Deutschland rauswollen“, finden in Potsdam (1500 Potsdam, Friedrich- Ebert-Straße 67) Informationsmaterialien und Rat. adn

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