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Gegen das Vergessen und das Verschweigen

■ Mit einer Veranstaltung wurde gestern an die Verschleppung jüdischer Zwangsarbeiter aus Berliner Betrieben erinnert/ Heinz Galinski, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde und verschleppter Ex-Zwangsarbeiter bei Siemens, klagt an

Mitte. Am 27. Februar 1943 fuhren Lastkraftwagen der SS vor die Fabriktore von Siemens, Osram, Fritz Werner und weiterer 80 Berliner Rüstungsbetriebe vor. Sie hatten Namenslisten dabei, die Aktion war vorbereitet: Die letzten in der Berliner Kriegsindustrie beschäftigten jüdischen Zwangsarbeiter, zwischen 6.000 und 7.000 Menschen, wurden von ihren Arbeitsplätzen weg auf die Lastwagen verfrachtet und in das Sammellager in der Großen Hamburger Straße gebracht. Heinz Galinski, Zwangsarbeiter bei Siemens, war einer von ihnen.

Ein Gedenkstein und eine Skulpturengruppe vor dem Grundstück des im Krieg zerstörten Gebäudes erinnert heute an die Verschleppten und Ermordeten. Gestern fand hier zur Erinnerung an den 48. Jahrestag der sogenannten »Fabrikaktion« eine Gedenkstunde statt. Die Rede hielt Heinz Galinski, der Zeitzeuge und Mahner gegen das Vergessen.

In der Großen Hamburger Straße im Scheunenviertel stand einst das Altersheim der Jüdischen Gemeinde. Ab 1941 wurden die Bewohner nach Theresienstadt deportiert, 1942 zog in das Gebäude die Gestapo ein, es wurde zum berüchtigten »Judenlager«. Das Gebäude wurde gefängnisartig vergittert, Scheinwerfer sollten verhindern, daß Menschen flohen. In dieses Haus wurden die jüdischen Zwangsarbeiter gepfercht, von hier aus wurden sie über die Bahnhöfe Grunewald und Putlitzstraße in die Vernichtungslager des Ostens gebracht. Heinz Galinski kam nach Auschwitz.

Nie hätten die Zwangsarbeiter für ihre Leidenszeit auch nur einen Pfennig Entschädigung von den Firmen erhalten, sagte er in seiner Rede und fuhr fort: »Es ist unerträglich zuzusehen..., wie diese gleichen Firmen schon wieder mit beispielloser Skrupellosigkeit, nur um des schnöden Mammons Willen, einem anderen Diktator helfen, der sich anschickt, den Staat zu vernichten, in den sich die Überlebenden von damals vor dem Zyklon B retten konnten.«

Die sogenannte Fabrikaktion war für Tausende von Berliner Juden der Anfang vom Ende. Der 27. Februar ist aber auch ein Tag des Widerstandes von Frauen gegen die Vernichtungsmaschinerie der Nazis. Die festgenommenen Juden, die in einer Mischehe mit einem arischen Partner lebten, wurden nicht in das Sammellager in der Großen Hamburger Straße gebracht, sondern in ein Gefängnis in der Rosenstraße. Zwei Tage lang demonstrierten vor den Gefängnistoren die Ehefrauen und forderten, ihre Männer freizulassen. Ihre lautstarke Hartnäckigkeit drohte in einen Tumult umzuschlagen. Nur ein einziges Mal — im Anschluß an diese Fabrikaktion — gaben die Nazis nach. Die jüdischen Männer wurden freigelassen.

Und deshalb ist es aus zwei Gründen wichtig, diesen 27. Februar nicht zu vergessen. Es ist zum einen der Tag, an dem die letzten Juden Berlins deportiert wurden. Ende Februar 1943 war die Stadt faktisch »judenrein«. Es ist aber auch der Tag, der, wenn auch um Jahre zu spät, zeigte, daß Widerstand gegen die rassistische Vernichtungsmaschinerie möglich gewesen wäre. Keine der mutigen Frauen von der Rosenstraße wurde von den Nazis bestraft. aku

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