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Panzertransit gegen Österreichs Neutralität

Blockaden und Demonstrationen gegen die Benutzung Österreichs als Transitland für westliches Golfkriegsmaterial  ■ Aus Salzburg Martin Lettmayer

„Das ist ein Überfall!“ So schätzt man in der Generaldirektion der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) die plötzliche Besetzung des Arbeitszimmers des Chefs ein. Reaktion: Man ruft die Alarmtruppe der Bundespolizei zu Hilfe. Die etwa dreißig Aktivisten, die mit der Besetzung gegen den Transit der für den Golf bestimmten US-Panzer durch Österreich demonstrieren, werden abgeführt.

Die Österreichische Journalistengewerkschaft protestiert beim Innenministerium gegen die Behinderung bei der Berichterstattung über den Transport der Bergepanzer. Bei einer Blockadeaktion in Tirol war ein Fotograf der 'Austria-Presseagentur‘ in Handschellen abgeführt worden. Die Kamera hatte man ihm abgenommen, der Film, der das brutale Vorgehen der Polizei dokumentieren sollte, verschwand. Der Fotojournalist ist an den Händen verletzt und muß im Krankenhaus behandelt werden.

Mitte Februar rollt der erste Transportzug mit 26 von insgesamt 103 Bergepanzern M88 von Rosenheim über den Brenner nach Italien. Da über die Streckenführung strengste Geheimhaltung angeordnet worden war, blockieren Friedensaktivisten die Gleise sowohl in Salzburg als auch in Innsbruck. Resultat: Bis zum Abend werden 95 DemonstrantInnen verhaftet. Nachdem wenige Tage zuvor ein Sprengstoffattentat auf die Bahnstrecke bei Brixlegg verübt worden war, reagiert die Polizei übersensibel. Die Proteste werden fortgesetzt. Es kommt zu weiteren Blockaden, Demonstrationen und Verhaftungen. In vielen Städten halten Menschen seit Wochen Mahnwachen. Engagierte BürgerInnen schalten großflächige Anzeigen gegen den Golfkrieg.

Auch am „neutralen“ Österreich geht der Golfkrieg nicht spurlos vorbei. Zwei Drittel aller ÖsterreicherInnen haben nach einer Umfrage Angst davor, daß sich der „Wüstensturm“ zu einem weltweiten Krieg ausweitet. 59 Prozent fühlen sich durch die Ölpest am Golf bedroht. Und jeder zweite sieht wegen Überflugs- und Durchfuhrgenehmigungen von Kriegsmaterial die Neutralität gefährdet.

Bundeskanzler Franz Vranitzky (SPÖ) erklärt dazu, die Durchfuhrgenehmigung für die Panzer entspreche der politischen Verantwortung Österreichs. Man könne der Durchsetzung der UNO-Resolution nicht „gesinnungslos“ gegenüberstehen. Dies sei kein Krieg zwischen Völkern, vielmehr wende sich die UNO gegen einen Staat, der das Völkerrecht gebrochen habe. Für einen solchen Fall sei die Neutralität „weder juristisch, noch moralisch und auch nicht politisch vorgesehen“. Und Verteidigungsminister Werner Fasslabend wußte beschwichtigend zu berichten: die dem „Ziehen, Kurbeln und Heben“ dienenden Bergepanzer sind keine Waffen.

Die Politik der Regierung, die Neutraliät zugunsten der westlichen Kriegsparteien aufzugeben, ist parteiübergreifend umstritten. Der populäre Wiener Bürgermeister Helmut Zilk und sein Grazer Amtskollege Alfred Stingl, fünf Nationalratsabgeordnete sowie die gesamte Landesorganisation von Oberösterreich zogen gegen ihren Parteichef Vranitzky ins Felde. Unterstützt wurden sie vom rechten Volkstribun Jörg Haider. Der FPÖ-Vorsitzende lehnt den Transport der Bergepanzer durch sein Bundesland Kärnten ab. Sein Parteikollege, der FPÖ-Fraktionsführer im Palament, befürwortet ihn. Die Grünen sind sich in ihrer Ablehnung des Transports einig, jedoch über die Frage eines sofortigen Waffenstillstandes gespalten. Johannes Voggenhuber forderte die Eisenbahngewerkschaft auf, den Transport zu verweigern. Gewerkschaftsvorsitzender Franz Hums verweigerte sich jedoch dem Ansinnen der Grünen.

Der bedrängten Bundesregierung kam auch der bekannte Innenpolitikjournalist Karl Danninger in einem Kommentar zu Hilfe: Der Neutralitätsdebatte könne die Regierung am besten dadurch begegnen, indem sie Überflugs- und Transitgenehmigungen nur erteilt, wenn Anträge dazu von der UNO gestellt wurden. Dazu bedürfe es allerdings eines stärkeren Auftretens Österreichs — sowohl in der UNO als auch im Sicherheitsrat.

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