: Rechte Kämpfer für ein freies Franken
Der „Fränkische Bund“ will mit einem Volksentscheid ein unabhängiges Franken herbeiführen/ Rechtsradikale in der Führungsspitze/ Regionalismus-Konzept der Neuen Rechten/ Sozialdemokrat ohne Berührungsängste ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler
„Bayern braucht Franken, aber braucht Franken Bayern?“ Für den „Fränkischen Bund“ (FB) ist dies nur eine rhetorische Frage. Die Schar von mittlerweile hundert Aktiven kämpft für ein eigenständiges Bundesland Franken und beruft sich dabei auf das Grundgesetz, das prinzipiell eine Neugliederung der Länder für möglich hält.
Vom Bundesinnenministerium haben die Franken bereits grünes Licht für ein Volksbegehren bekommen, mit dem sozialdemokratischen Würzburger Ex-Oberbürgermeister Klaus Zeitler finden sich die ersten prominenten Unterstützer ein. Die Perspektive eines „freien Frankens“, unabhängig vom traditionell CSU-dominierten Bayern, klingt nicht nur für SPDler verlockend. Doch was auf den ersten Blick wie exotischer Separatismus aussieht, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als gezielte rechtsradikale Agitation für das „Regionalismus-Konzept“ der sog. Neuen Rechten.
Die Idee für ein eigenständiges Franken fällt auf fruchtbaren Boden, weil ihre Verfechter im FB mit der ständigen Benachteiligung Frankens durch den zentralistischen Freistaat Bayern argumentieren. So erhält die Planungsregion München aus dem Landesentwicklungsplan mit 28,2Prozent fast soviel Mittel wie alle sieben Regionen Frankens zusammen (30,5Prozent), die südbayerischen Universitäten heimsen zwei Drittel der staatlichen Zuschüsse ein. Die kürzlich erfolgte Neuordnung der Regionalförderung trifft wieder vor allem Bayerns Norden, während wirtschaftlich potente südbayerische Gebiete weiter gefördert werden. Genauso lange wie die Liste der Benachteiligungen ist die Liste der Dementis der Staatsregierung. Nicht zuletzt deshalb schlossen sich die fränkischen Oberbürgermeister zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammen, um fortan gemeinsam ein Gegengewicht zu München zu bilden.
Rechtsradikale auf dem Franken-Zug
In jüngster Zeit sprangen jedoch andere Gruppierungen auf den fränkischen Zug auf. In Nürnberg erschien 'Die Saufeder‘ als „Nationale Streitschrift für Franken“, in Zirndorf der 'Brückenkopf‘ der „Europäischen Nationalisten in der Offensive“. Unverfänglicher kommt da der „Fränkische Bund“ daher, zumal er seinen ursprünglichen Namen „Fränkische Landsmannschaft“ im September letzten Jahres abgelegt hat. Man wollte, so der stellvertretende FB- Vorsitzende Friedrich Wendler aus Erlangen, „nicht nach rechts mißverstanden“ werden.
Daß es keineswegs um Mißverständnisse geht, beweist die rechtsradikale Vergangenheit führender FB- Mitglieder. Der FB-Bezirksvorsitzende Waldemar Hirschfeldt saß im Landesvorstand der Republikaner, der Würzburger Michael Haller, verantwortlich für die Vereinszeitung 'Der Franke‘, im Rep-Kreisvorstand. Der FB-Vorsitzende Uwe Meenen aus Würzburg kandidierte schließlich 1984 für die NPD und zwei Jahre später für die Schönhuber-Partei. Bis 1988 war er Schatzmeister der Würzburger Reps. Das sind jedoch keine Jugendsünden. Uwe Meenen ist heute im rechtsradikalen Siegfried-Bublies-Verlag in Koblenz beschäftigt.
1979 hatten junge Nationaldemokraten diese „Zeitschrift für nationale Identität“ gegründet. 'Wir selbst‘ verstand sich als Organ der sog. Neuen Rechten, und gab sich Anfang 1990 den unverfänglicheren Untertitel „Zeitschrift für Politik und Kultur“. An der ideologischen Linie änderte sich jedoch nichts. Nach wie vor gehört Henning Eichberg, der führende Kopf der deutschen Neuen Rechten zu den Hauptautoren des Blattes. Ideologischer Grundpfeiler dieser Neuen Rechten ist die „nationale Identität“. In Eichbergs „Regionalismuskonzept“ verläuft die „Identitätssuche des einzelnen“ zunächst mit der unmittelbaren Umgebung, dann mit der Region, der Nation und endet schließlich bei einem „Großeuropa der Vaterländer“ vom Atlantik bis zum Ural. Regionalismus versteht Eichberg nur als „erste Keimzelle“ zu einer völkischen Neuordnung der Welt. Auf diesem Weg begrüßt die Neue Rechte alle Befreiungsbewegungen von der PLO, über die ETA, IRA, Franken und Südtirol bis hin zum „Befreiungskampf des Iraks gegen die USA“. Sie setzt auf den „Befreiungsnationalismus“ als Motor für die Schaffung einer an Selbstbestimmung orientierten Völkerordnung. Eichberg plädiert dementsprechend für ein „Deutschland der Regionen“ mit einem „Freistaat der Alemannen“ und einem „Freien Franken“.
Uwe Meenen hat seine Lektion gelernt. In seinem Beitrag in der Ausgabe 1/1990 von 'wir selbst‘ fordert er unter der Überschrift „Plädoyer für ein regionalistisches Deutschland“ eigene Bundesländer Schlesien und Pommern. Seine Vision von einem Großdeutschland offenbart der FB-Vorsitzende in dem Satz: „Wertet man die innere Gliederung Deutschlands regionalistisch, so herrschen lediglich in Österreich zufriedenstellende Verhältnisse.“ Satzungsziel des FB ist denn auch eine „Schaffung eines organisch gegliederten Deutschlands der Regionen und Europas der Nationen“. Der FB fordert eine „Stärkung der Eigenart der fränkischen Region“. Gerade im Hinblick der EG sei es wichtig, „gewachsene Länder und Regionen zu verstärken, um nicht in einem Einheitsbrei zu versinken“. Das deckt sich mit dem sog. „Ethnopluralismus“-Konzept der Neuen Rechten, einer modernen Version des Rassismus. Demnach geht es um den Erhalt der Vielfalt der Kulturen. Was früher platt „Ausländer raus“ hieß, heißt heute etwas unverfänglicher, man müsse zusammen mit den Fremden für den Erhalt der jeweiligen Eigenarten und Kulturen kämpfen.
Aufgrund ideologischer Gemeinsamkeiten konnte sich Uwe Meenens Brötchengeber, der 'wir selbst‘-Herausgeber Bublies, finanzieller Zuwendungen aus Libyen erfreuen. Libyens Revolutionsführer Gaddafi ist ein glühender Verfechter des Ethnopluralismus und Befreiungsnationalismus. In seinem Grünen Buch, dessen bundesdeutscher Alleinvertrieb über Bublies läuft, geht er davon aus, daß alle Staaten, die aus mehreren Nationalitäten bestehen, von „nationalen Konflikten solange zerrissen werden, bis jeder einzelne Nationalismus selbständig geworden ist“. 1983 gibt Gaddafi 'wir selbst‘ ein Interview, im November 1986 feiert Eichberg „die Revolution, die aus der Wüste kommt“.
Unter der Führung von Uwe Meenen sammelt derzeit der FB landauf, landab in Franken Unterschriften für ein Volksbegehren. Ein Drittel der dafür benötigten 7.000 Unterschriften sind schon beisammen. Für einen Volksentscheid bedarf es dann der Unterschriften von zehn Prozent der betroffenen Wahlberechtigten für den FB, der die bisherigen Bezirke Ober-, Mittel- und Unterfranken sowie die Region Hohenlohe in Baden- Württemberg zu einem Bundesland zusammenschließen will. Einwohnermäßig läge Franken dann in Gesamtdeutschland an siebter, flächenmäßig gar an vierter Stelle. „Von einem Kleinstaat kann nicht die Rede sein“, betont der FB-Funktionär Wendler. „Das ist keine Frage von Separatismus, sondern eine ordnungspolitische Angelegenheit“, verteidigt Ex-OB Zeitler das FB-Anliegen. Der Sozialdemokrat kennt auch sonst keine Berührungsängste. Sein Buch Jahrgang 1929 — Eine Jugend in Deutschland veröffentlicht er im rechten Erlanger Straube-Verlag, dessen Autorenschaft sich zum großen Teil aus 'wir selbst‘-Autoren zusammensetzt.
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