: Das Apartheidregime läßt die Hüllen fallen
Südafrikas Homeland-Politik vor dem Aus: Der Kunststaat Ciskei gibt Teile seiner „Souveränität“ an Pretoria zurück ■ Aus Johannesburg W. Germund
Ciskei war 1981 das letzte der „Homelands“, das die sogenannte Unabhängigkeit von Südafrika erhielt. Jetzt ist die Ciskei der erste der vier, nominell unabhängigen, Kunststaaten, der den Anfang vom Ende der „großen Apartheid“ am Kap der Guten Hoffnung in Südafrika einleitet. Der Militärherrscher des 1,5 Millionen Einwohner zählenden Gebildes, Brigadier Oupa Gqozo, unterzeichnete eine Vereinbarung mit Südafrikas Außenminister Pik Botha, laut der Pretoria nun sämtliche Hüllen fallen läßt. In Zukunft wird Südafrika die Minister für Finanzen, Landwirtschaft, Justiz und Transport ernennen und stellen. Außerdem werden die Polizeikräfte der Ciskei in das südafrikanische Polizeikorps eingegliedert.
Jahrzehntelang hatte Pretoria weder Kosten noch Mühen gescheut, die Mär von den unabhängigen Kunststaaten aufrechtzuerhalten. In einem Jahrbuch der Regierung vergleicht das Apartheid-Regime gar den Umfang des jeweiligen Territoriums, um die Berechtigung der „Homelands“ als eigenständige Staaten nachzuweisen. Ergebnis: Einige der insgesamt zehn „Homelands“ sind größer als El Salvador, Singapur oder Mauritius.
Die Idee, solche Kunststaaten einzurichten, stammt vom Vater der „großen Apartheid“, Hendrik Frensch Verwoerd. Dank der „Homelands“, von Südafrika „selbstregierte Staaten“ genannt, konnte den Schwarzen die südafrikanische Staatsangehörigkeit verwehrt werden — in dem auf Gesetzmäßigkeit bedachten Buren-Staat ein wichtiges Argument. Die Bewohner der „Homelands“ wurden so als billige Wanderarbeiter von Südafrikas Industrie je nach Bedarf angeheuert oder abgeschoben. In der Praxis scheiterte dieses Modell zum Teil am Widerstand der Schwarzen, zum Teil an legalistischen Problemen. Sechs der zehn „Homelands“ weigerten sich bis zuletzt, die Unabhängigkeit anzunehmen.
Bei den vier anderen Kunststaaten geriet Südafrikas Version bereits bei den Finanzen ins Schleudern: Die Ciskei etwa erhielt im Haushaltsjahr 1988/89 über 600 Millionen Mark aus Pretoria, aus eigenen Einkünften flossen dagegen nur magere 120 Millionen in die Kassen — bei einem „Staatshaushalt“ von rund 900 Millionen Mark. Die „Homelands“ wurden auch international nie anerkannt — einzige Ausnahme: Südafrika. Freilich, seine diplomatische Vertretung richtete der Buren-Staat auf eigenem Territorium ein — in King Williams Town. Und Grenzposten sucht der Reisende vergeblich.
Ein Sprecher des südafrikanischen Außenministeriums bestritt am Donnerstag dennoch, daß die Vereinbarung mit der Ciskei der erste Schritt zur Heimkehr in die Buren-Republik sei: „Denen fehlt Personal, und wenn wir die nötigen Personen haben, ist es normal zu helfen.“ Tatsächlich dürfte die Vereinbarung auch durch zwei andere Faktoren beeinflußt worden sein: Dank Korruption und Unfähigkeit der von Südafrika eingesetzten „Homeland“-Regierungschefs erwiesen sich die Kunststaaten als Faß ohne Boden. Mit der „Ministerhilfe“ soll nun wenigstens in der Ciskei der Anschein einer funktionierenden Administration geschaffen werden. Der andere Grund ist das in unmittelbarer Nachbarschaft liegende „Homeland“ Transkei, regiert von dem ANC-Anhänger Generalmajor Banut Holomisa. In Pretoria hält sich seit langem die Furcht, dieser könnte den Nachbarn Ciskei einverleiben.
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