: Koki zeigt: "Überall ist es besser, wo... wir nicht sind
Berlin und New York sehen genauso grau und heruntergekommen aus wie Warschau, und dem jungen Jerzy folgt auf seiner Reise die gleiche Trostlosigkeit, wegen der er aus Polen abgehauen ist. Auch wenn er Ewa, die den gleichen Traum vom goldenen Westen träumt, in allen Städten wiedertrifft, können die wenigen zärtlichen Gesten nicht die Tristesse verscheuchen — beide halten sich mit schlechtbezahlten Jobs über Wasser und sind nicht abgebrüht genug, um den Ekel vor einer lukrativeren Arbeit als Schuldeneintreiber oder Prostituierte zu überwinden.
Das hört sich alles sehr nach einem weinerlichen Sozialdrama an, aber das Überraschende an Michael Kliers Film ist, daß er weder in diese Falle tappt noch das Trostlose romantisiert.
Nicht nur, weil Miroslav Baka in beiden Filmen die Hautrolle spielt, hat der Film eine ähnliche Grundstimmung wie Kieslowskis „Ein kurzer Film über das Töten“; und die absichtlich dreckigen Schwarz-weiß-Bilder sowie die lakonischen Einstellungen, die pointiert jede Pointe vermeiden, erinnern an die ersten Filme von Jim Jarmusch. Klier inszeniert sparsam und karg, man hat nie das Gefühl, er will das Publikum verführen oder überzeugen: er zeigt nur seine Aussicht in die Welt als einen ewigen Hinterhof:
Das schäbige Zimmer mit den zerfledderten Tapeten, dem leeren Kühlschrank und dem Pornoheft, das der Vormieter liegen gelassen hat; der Holztisch in der dunklen Kneipe, an dem der Chef seine Spaghetti ißt, während er Jerzy runtermacht; der kahle Betonkorridor mit dem Telefon, von dem aus Ewa sich mit Jerzy und ihren Freiern verabredet — aus solchen Räumen kann man nur immer weiter fliehen, und: solche Räume vergißt man nicht so schnell. „Viel weiter westwärts geht es nicht“ sagt Ewa im grauen New York, und Jerzy antwortet „Mal sehen!“
„Überall ist es besser, wo wir nicht sind“ ist zurecht der auf Festivals und von der Presse am meisten gepriesene deutsche Film der letzten Jahre. Man kann sich darüber aufregen, daß er erst jetzt, zwei Jahre nach seiner Fertigstellung, bei uns ins Kino kommt. Aber das Kommunalkino hat sich schon längere Zeit sehr darum bemüht, auch den Regisseur nach Bremen zu holen. Klier mußte jedoch kurzfristig absagen, und so fällt das Werkstattgespräch mit seinen Kurzfilmen leider aus.
Wilfried Hippen
Cinema Sa.-Do. 18.45 Uhr
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