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Ruin für alle oder Rettung einzelner?

■ Berlins Theater in Not/ Selbst renommierte Häuser wie die Schaubühne geraten in arge Bedrängnis/ Theater des Westens hat Chor und Ballet entlassen/ Roloff-Momin hält an Pauschalkürzung fest

Berlin. Die bedeutungsschwere Frage nach dem Sein oder Nichtsein wird in den Westberliner Theatern derzeit weniger auf der Bühne als hinter den Kulissen gestellt. Die Ursache dafür sind die zehnprozentige generelle Haushaltssperre des Finanzsenators und die bereits festgesetzte pauschale Etatkürzung um 1,5 Prozent. Die schier ausweglose Situation ist der Normalfall für die Ostberliner Bühnen, die von der Hand in den Mund leben, weil die Etats für 1991 noch nicht endgültig abgesichert sind.

Die Kürzungen treffen alle kulturellen Institutionen gleichermaßen und zwingen deren Leiter, den Rotstift anzusetzen. Das fällt besonders dem subventionierten Theaterbetrieb schwer. Schaubühnenchef Jürgen Schitthelm, der sich noch vor Monaten heftig gegen einen hochbezuschußten »Kulturzoo« in einer Hauptstadt ohne Regierungssitz wehrte, hat inzwischen andere Sorgen. Er befürchtet, daß sein Theater, immerhin das mit dem überregional besten Ruf, das Jahresende unter diesen Umständen nicht erreicht.

Für die Schaubühne bedeuten die 11,5 Prozent Kürzung eine Einschränkung der verfügbaren Mittel von 2,4 Millionen Mark. Ohne die läßt sich in diesem Jahr keine Neuinszenierung mehr machen — mit der Folge, daß 35 Mitarbeiter entlassen werden müßten und Abfindungsansprüche entstehen. Zudem müßte die Schaubühne das Parkett für den Rest des Jahres mit den Stücken füllen, die momentan auf dem Spielplan stehen. Ignoriert Schitthelm einfach die Haushaltssperre in der Hoffnung, daß sie wieder aufgehoben wird, riskiert er gleichfalls den Ruin, wenn die ersehnten Gelder aus Bonn ausbleiben.

Den Staatlichen Schauspielbühnen geht es nicht anders, obwohl bei ihnen die Kürzungen lediglich die Sachmittel betreffen — eine Ungleichbehandlung, die der Leiter der Schaubühne moniert. Für die freien Theatergruppen sind die Sparmaßnahmen erst recht existenzbedrohend. Nicht nur Schitthelm stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, daß alle bluten und dabei womöglich einige auf der Strecke bleiben. Denkbar wäre für ihn auch, daß der neue Kultursenator Ulrich Roloff-Momin an wenigen Stellen spart und bestimmte Projekte aufgibt, um die geforderten rund 40 Millionen Mark einzusparen. Die Geschäftsführerin des ebenfalls bedrohten Theaters des Westens, Ulrike Michelbrink, sieht das ähnlich. Der TdW-Aufsichtsrat hat bereits die Entlassung von Chor und Ballett beschlossen; 28 Beschäftigte stehen nun auf der Straße. Die Gewerkschaft ÖTV vermutete gestern, die Theaterleitung spekuliere darauf, »immer mehr Fremdproduktionen auf die Bühne zu holen«.

Roloff-Momin hält derzeit aber noch an der Pauschalkürzung für alle fest, jedoch soll keiner in seiner Existenz betroffen werden. Unterdessen arbeitet die Zeit gegen die Theaterleiter. Wenn sie nicht bald Bescheid wissen, mit wieviel Geld sie rechnen können, läßt sich nicht mehr planen. Noch gar nicht in die Rechnungen eingeflossen sind die Mehrkosten durch die jetzt beschlossenen Steuererhöhungen, die sich auch auf die Portemonnaies der potentiellen Theaterbesucher im ohnehin teurer gewordenen Berlin auswirken werden. Frühestens Mitte März ist der Berliner Nachtragshaushalt zu erwarten. Fließen die Gelder dann nicht, ist von den Bühnen der Kulturmetropole nicht viel und schon gar nichts Neues zu erhoffen. Jutta Lehmer (dpa)

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