piwik no script img

Wildschaden und Wildhunger

Honeckers ehemaliges Jagdrevier, die Schorfheide, leidet unter der Regentschaft des Hobbyjägers  ■ Von Dorothee Stacke

Potsdam. Das 25.000 Hektar große Naturschutzgebiet Schorfheide nördlich von Berlin wird voraussichtlich noch mehrere Jahre unter der früheren Regentschaft des Hobbyjägers und ehemaligen SED- und DDR-Chefs Erich Honecker zu leiden haben.

Hoher Wildbesatz, der alles kahlfrißt

Die Hirsche haben in den Wildgattern die Natur bis auf etwa zwei Meter Höhe völlig kahlgefressen, wie der zuständige Referent im brandenburgischen Landwirtschaftsministerium, Bruno Trömer, der 'dpa‘ bestätigte. Auch die Tiere selbst befänden sich in einem schlechten Zustand: Sie sind unterernährt. Ursache ist der unvertretbar hohe Wildbesatz. „Honecker war halt nur zufrieden, wenn er ohne große Anstrengung Wild vor die Flinte bekam“, erläutert Trömer. So durfte sich in der Schorfheide das Zehnfache eines der Natur zuträglichen Bestandes tummeln. Die Tiere fanden jedoch nicht ausreichend natürliche Nahrung und haben kahlgefressen, was sie erreichen konnten. Jetzt müßten sie hungern, würden sie nicht gefüttert.

Nicht weniger als 12,5 Tonnen Konzentratfutter wurden erst kürzlich auf Landeskosten in die Schorfheide geschafft, wie Trömer sagte.

Auch verstärkte Bejagung würde die Zahl der Tiere nicht spürbar vermindern. Das Wild würde bei größerem Jagddruck nicht mehr in der Morgen- und Abenddämmerung zum Äsen auf Freiflächen erscheinen und somit auch nicht vor der Büchse des Weidmanns. „Es wird dann total nachtaktiv, und wir bekommen es überhaupt nicht mehr zu fassen“, klagt der Jagdreferent. Würde man das Gatter einfach öffnen, fräßen Tausende Stück Schalenwild die umliegenden Felder leer. Mindestens drei Jahre werde es dauern, glaubt Trömer, bis der Tierbestand in der Schorfheide sich normalisiere.

Den Reibach machen die Jagdgesellschaften

Derweil kassieren die nach Honeckers Sturz im Frühjahr 1990 gegründeten drei Jagdgesellschaften der Schorfheide von zahlungskräftigen Jägern aus dem Westen Abschußgelder. Das ist legal. Der Sprecher des Landwirtschaftsministeriums, Wolfram Wickert, bestätigte 'dpa‘ aber auch, daß sich Hinweise auf Bereicherung einzelner verdichteten. So habe ein Oberförster für einen Abschuß nachweislich eine Spanienreise kassiert. Die Behörden können solchem Treiben kaum begegnen. Die Jagdgesellschaften wurden im Frühjahr 1990 noch unter der Regierung Modrow gegründet und sind von einer Übergangsregelung geschützt, die im Einigungsvertrag bis zum 31. März 1992 festgeschrieben wurde. Ein anderer Oberförster, seit 1976 SED-Parteisekretär, soll sogar Reiter beschossen haben, als diese sein Revier durchquerten, wie es in einem Schreiben des stellvertretenden Bürgermeisters von Groß Schönebeck heißt. Gegen den Schützen wurde Anzeige erstattet. dpa

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen