: PDS will sich selbst finanzieren
■ Landesparteitag wählt Adolphi wieder zum Vorsitzenden/ Sofortprogramm für Berlin vorgelegt
Berlin. Im Gefolge der Wirtschafts- und Währungsunion und der Regelungen des Einigungsvertrages steht Berlin vor einer der schwierigsten Krisen seit dem Zweiten Weltkrieg. Von dieser Prämisse ausgehend, diskutierten und beschlossen am Wochenende mehr als 200 Delegierte der Berliner PDS auf ihrem Landesparteitag ein Sofortprogramm.
Gefordert wird die Weiterführung einer modifizierten Berlinförderung und die Verabschiedung eines beschäftigungspolitischen Sofortprogramms. In den nächsten vier Jahren könnten damit bis zu 300.000 Arbeitsplätze geschaffen werden. Im Forderungskatalog stehen weiterhin ein neues, soziales Mietsystem, um künftig drastische Preissteigerungen zu verhindern, sowie eine umfassende soziale und medizinische Vorsorge, unabhängig vom Gelbeutel. Die gegenwärtigen Strukturen der Treuhandanstalt seien aufzulösen, regional neu zu ordnen und den Länderparlamenten zu unterstellen, wobei die Sanierung den Vorrang vor der Privatisierung haben solle. Für diese Vorhaben müsse das Berliner Abgeordnetenhaus eine neue Landesverfassung ausarbeiten, über die per Volksentscheid abgestimmt werden sollte. Mit dem Land Brandenburg sei ein Staatsvertrag abzuschließen, um der Region insgesamt zum Aufschwung zu verhelfen.
Parteichef Gregor Gysi hatte am Sonnabend bei einem kurzen Auftritt auf die Ausgrenzung breiter Schichten der Bevölkerung in der Bundesrepublik hingewiesen, die sich gegenwärtig vollziehe. Die PDS würde eine Berufsverbotspolitik gegenüber ihren Mitgliedern nicht hinnehmen. Er forderte die Delegierten auf, künftig stärker nach außen zu wirken und sich nicht nur mit der eigenen Partei zu beschäftigen. Während der Diskussion im Plenum sprachen viele Redner über die Alltagsschwierigkeiten der PDS wie Diskriminierungen im Beruf und Verunglimpfungen.
Zum Landesvorsitzenden wiedergewählt wurde am Sonntag Wolfram Adolphi, der sich als einziger Kandidat für diesen Posten beworben hatte. Für den 40jährigen Diplompolitologen, der seit Dezember 1989 den Berliner Landesverband führt, votierten 175 der 213 Delegierten. Neu formiert wurde auch der Landesvorstand. Mit 16 Mitgliedern ist er wesentlich kleiner als vorher. Ihm zur Seite wird ein Landesrat stehen, in den die Basisgruppen Delegierte selbst entsenden. In den Führungsgremien haben zu 50 Prozent Frauen Sitz und Stimme.
Mit einem neuen Finanzierungsmodell orientiert der Berliner PDS- Landesverband auf den Übergang zur vollen Eigenfinanzierung. Einnahmequellen sollen unter anderen Mitgliedsbeiträge, Spenden sowie rückerstattete Wahlkampfkosten sein. Für 1991 sind Einnahmen in Höhe von 3,6 Millionen DM eingeplant. adn
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen