: Hahn-Meitner-Institut ohne Atomklo?
■ Londoner Versicherung weigert sich, Atommülltransporte per Schiff zu versichern/ HMI ist aber auf schottische WAA angewiesen
Dahlem. Schwere Zeiten für die Berliner Atomforscher am Hahn- Meitner-Institut. Denn: Die Genehmigung des neuen Reaktors scheint jetzt wieder in weite Ferne zu rücken. Das Institut hatte für die Entsorgung des neuen Forschungsreaktors die Wiederaufarbeitungsanlage Dounreay in Schottland ausgeguckt. Nun haben den Atomforschern die Versicherungsagenten der Londoner City in den Arm gegriffen. Die altehrwürdige Rückversicherungsbranche in der britischen Hauptstadt hat nämlich befunden, daß sie fortan keine Atommülltransporte per Schiff mehr versichern will. Anders aber ist die schottische Anlage vom europäischen Festland nicht zu erreichen.
Die Londoner Versicherungsmanager befanden, daß Schiffsunfälle mit radioaktiver Last an Bord zu »unkontrollierbaren Risiken« führen könnten. Zuletzt waren Anfang Februar beschädigte Transportbehälter mit hochradioaktivem Müll in Dounreay angekommen, die ein indischer Frachter von Südasien auf die britische Insel gebracht hatte.
Der Streit um die Genehmigung des Hahn-Meitner-Reaktors hatte im vergangenen Jahr fast zum vorzeitigen Bruch des rot-grünen Bündnisses geführt. Schon damals planten die Atomforscher, die abgebrannten Brennstäbe aus ihrem neuen Reaktor in Schottland entsorgen zu lassen. Die damalige Umweltsenatorin Michaele Schreyer (AL) hatte aber dem Reaktor die Betriebsgenehmigung verweigert — mit dem Argument, in Dounreay sei eine Entsorgung im Sinne des Atomgesetzes nicht gewährleistet. Die neue schwarz-rote Koalition versucht zur Zeit, gemeinsam mit Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) den Forschungsreaktor zu genehmigen.
Das umstrittene Atomklo Dounreay kämpft seit Jahren mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Die britische Regierung will ihr Brüterprogramm nicht weiterführen. Als Nottropfen ist der Betreiber von Dounreay, die britische Atomic Energy Agency (AEA), auf die Idee gekommen, für Atommüll aus 50 Forschungsreaktoren weltweit die Wiederaufarbeitung anzubieten. Die Amerikaner, bei denen auch das HMI ursprünglich entsorgen wollte, mußten Ende der achtziger Jahre ihre militärischen Wiederaufarbeitungsanlage wegen katastophaler radioaktiver Verseuchungen im Umfeld der Anlagen schließen. Der Berliner Senat war als Musterfall und erster Geschäftspartner ausersehen. Die Braunschweiger Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), ein weiterer potentieller Kunde von Dounreay, hatte den Atommülltransport nach Schottland im Januar ebenfalls aufgeben müssen. Die PTB scheiterte an den Rotterdamer Hafenarbeitern bei dem Versuch, ihre strahlende Fracht nach Schottland verschiffen zu lassen. Die Schweden entschieden sich gleich, ihren Atommüll gar nicht erst zu verschiffen. Hermann-Josef Tenhagen
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