: „Die DSU hat ihr Kapital verspielt“
■ Erfolglose Schwesterpartei im Osten sorgt für Zwist in der CSU/ Gauweiler fordert Waigel heraus
München. Als Alois Glück, der einflußreiche CSU-Fraktionsvorsitzende im bayerischen Landtag, am Journalistenstammtisch Reisen nach Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Sachsen ankündigte, zückten die versammelten Medienvertreter interessiert und gespannt ihre Kugelschreiber.
Die Initiative Glücks galt jedoch nicht der bei allen Wahlen in den neuen Bundesländern gescheiterten CSU-Schwesterpartei DSU, sondern den CDU-Parlamentariern in den ostdeutschen Landtagen. „Die DSU hat ihr Kapital weitgehend verspielt“, erklärte der CSU-Politiker. „Wir greifen den Wunsch nach Zusammenarbeit mit uns nahestehenden Unionskräften gern auf. Bayern spielt als Markenzeichen überall eine Rolle.“ Zu Parteichef Theo Waigel, der als DSU-Ehrenvorsitzender auch nach den Niederlagen der Schwesterpartei auf langfristige Unterstützung gesetzt hatte, ging Glück auf hörbare Distanz.
„Die DSU kann nicht auf Dauer am Tropf der CSU hängen. Über ihre Lebensfähigkeit muß in den neuen Bundesländern entschieden werden.“ Glück fügte an, jetzt sei nicht die Zeit für „strategische Sandkastenspiele“. Trotzdem hat Waigel, als Finanzminister mit den Bonner Haushaltsproblemen schwer belastet, unversehens wieder eine Strategiedebatte am Hals. Und wieder geht es um den Einfluß der CSU im vereinigten Deutschland.
Den Fehdehandschuh warf ihm — nicht zum erstenmal — der stets um Profilierung bemühte Umweltminister Peter Gauweiler hin. Er forderte, die CSU sollte sich die Option offenhalten, außerhalb der bayerischen Grenzen tätig zu werden. Im Gegensatz zu den ihm nachgesagten Eigenschaften plädierte Gauweiler hier für das „Aussitzen“ des Problems und für das Warten auf den geeigneten Zeitpunkt. Damit war eine neue Runde im Streit über die Ausdehnung der CSU eröffnet.
Erst auf dem jüngsten Parteitag hatte Bundesschatzmeister Waigel die Debatte mit dem Hinweis beendet, damit werde die bayerische Identität der CSU geschwächt. Außerdem werde die CDU einen Einbruch in ihr Wählerreservoir nicht ungestraft hinnehmen.
Schließlich forderte Gauweiler mit dem gesamten Vorstand des Münchner Parteibezirks Waigel und die Landesleitung heraus. Einstimmig wurde das CSU-Präsidium per Resolution aufgefordert, über die künftige Arbeit der CSU in den neuen Bundesländern neu zu beraten und eine „grundlegende Positionsbestimmung“ vorzunehmen. Eine Aussprache über die DSU war nach den Worten von Waigels Sprecher Peter Hausmann jedoch schon vor dem öffentlich ausgetragenen Zwist geplant. Das Präsidium werde sich am kommenden Montag auf jeden Fall mit der Sache befassen, kündigte er an.
Totgesagte Partei hat 8.000 Mitglieder
Das CSU-Präsidium hatte nach dem Scheitern der DSU bei den Landtagswahlen in den neuen Ländern im Oktober 1990 beschlossen, die DSU langfristig zu unterstützen. Damals waren Kritiker in den eigenen Reihen noch mit dem Argument zu besänftigen, die einstige DDR-Blockpartei CDU sei möglicherweise nicht reformfähig und benötige ein bürgerlich-konservatives Gegengewicht. Als die DSU aber bei der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl im vergangenen Dezember selbst in ihrer Hochburg Sachsen nur 1,7 Prozent der Zweitstimmen erhalten hatte, zeigte sich die Basis auf der Wahlparty der großen Schwester in München überzeugt: „Die DSU ist tot.“
Der Generalsekretär der totgesagten Partei, Alexander Achminow, verbreitet dagegen Optimismus. Seinen Angaben zufolge hat die DSU derzeit rund 8.000 Mitglieder in Ostdeutschland und in Berlin. „Wir konzentrieren uns auf die Arbeit im kommunalen Bereich, wo wir mit 1.100 Mandatsträgern vertreten sind“, sagte Achminow. Allerdings sei der gesamte Vorstand wegen der Wahlniederlagen umstritten. Vor dem am 25. Mai in Leipzig geplanten Parteitag würden die Mitglieder befragt, ob der DSU-Vorsitzende Hans-Joachim Walther noch einmal für dieses Amt kandidieren solle.
Das Verhältnis zur CDU schilderte Achminow als unterschiedlich. „Auf den höheren Parteiebenen gibt es keine Kontakte. Gut sind sie dagegen zur CDU-Basis in Görlitz und Dresden.“ Ellen Hofmann/
Susann Huster/ap
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen