: Das Schalck-Geschäft mit DDR-Antiquitäten blüht
■ In Mühlenbeck wird Schalcks Antiquitäten-Umschlagplatz verkauft Schalck-Kompagnon Wendt hat das Geschäft und die Adresse übernommen
Oranienburg/Leipzig. Mühlenbeck im Norden Berlins hat sich in der DDR als Umschlagplatz für Antiquitäten gen Westen einen unrühmlichen Namen gemacht. Jetzt stehen die 1974 mit Millionenaufwand errichteten Gebäude und Anlagen sowie das Grundstück der ehemaligen „Kunst und Antiquitäten GmbH“ vor dem Verkauf. Ende März, so der Hauptgeschäftsführer der „Internationalen Beratungs- und Vertriebs GmbH“ (IBV), Karl-Heinz Näcke, soll die Liquidation des Betriebes abgeschlossen werden. Die 1973 gegründete Kunsthandelsfirma gehörte zum Imperium Schalck-Golodkowskis. Sie hatte oft den Verkauf privater Kunstgegenstände unter Druck erwirkt und sie gegen Devisen ins westliche Ausland verkauft. Sie verfügte über ein weitverzweigtes Netz, denn 1976 war ihr auch der damalige VEB Antikhandel Pirna mit 97Außenlagern als wichtigste Zulieferer angegliedert worden. Die Gewinne der Kunst und Antiquitäten GmbH stiegen daraufhin von elf Millionen 1974 auf 37 Millionen Valutamark 1989. Im Januar 1990 stellte das Unternehmen auf Beschluß der Modrow-Regierung seine Tätigkeit ein. Mit dem bevorstehenden Verkauf der rund 7.500 Quadratmeter Lagerfläche und der Objekte geht auch die jetzige Nutzerin IBV einer ungewissen Zukunft entgegen. Sie war im März 1990 zunächst als Dienstleistungs-, Werbe- und Handelsbetrieb des damaligen DDR-Kulturministeriums gegründet worden und hatte Gebäude und Anlagen übernommen. Die Firma habe sich bewußt von jedem Handel mit Antiquitäten und Kunstgegenständen ferngehalten, sagte Näcke. Sie habe fast das gesamte Hartgeld der DDR zwischengelagert und später an Hilfsaktionen für die Sowjetunion mitgewirkt. Seit Dezember bestehe ein Vertrag mit der Westberliner Iwanter GmbH über Lagerung und Auslieferung von Haushaltsgeräten. Der habe das Unternehmen mit 75 Mitarbeitern vor dem Konkurs gerettet, sagte Näcke.
Jetzt hat der Geschäftsführer das Kündigungsschreiben für Lager und Flächen zum 31. März erhalten und sofort Einspruch erhoben.
In Leipzig hat ein früherer Kompagnon von Schalck-Golodkowski, Johannes Wendt, die Adresse aus den alten Tagen des Devisenhandels übernommen. Wendt war in der DDR Gutachter des Leipziger Zentralantiquariats. In dieser Funktion half er Schalck-Golodkowski, wertvolle Bestände aus verschiedenen Gemeinden der DDR herauszuholen, wie die Illustrierte 'Super-Illu‘ berichtet. So lagerten auf dem Dachboden des Rathauses Colditz bis Mitte der 80er Jahre 2.000 Bücher und Handschriften. Museumsdirektor Peter Bräuner wollte alles katalogisieren, doch der Bürgermeister Werner Hahmann verhinderte das. Im August 1985 wurden Bücher von zwei LKW weggeschafft — mit dabei Johannes Wendt und der Bezirksrat Dieter Lehmann.
Zum Stadtarchivar von Döbeln, Herbert Geschke, kamen die Herren im August 1988 mit ihren Wäschekörben. Angeblich sollten die alten Bücher in Leipzig restauriert werden. Als Wendt und Co sich an das Regal mit der Heimatgeschichte machen wollten, stellte sich Geschke vor sie: „Nun ist Schluß. Jetzt nur noch über meine Leiche...“ Wendt zog mit 2.000 Bänden ab.
Im sächsischen Altenburg waren Wendt und Lehmann wenig später. Bezirksrat Lehmann erklärte der Stadtarchivarin, die wertvollen Bücher müßten ausgelagert und restauriert werden, den Wert hatte Wendt geschätzt. Im Dezember 1988 wurden 395 kostbare Bände abgeholt, einzelne Stücke aus dem 15. Jahrhundert. Der neue Bürgermeister hat den Fall nach der Wende einem Juristen übergeben. Die Spezialisten sind im Gewerbe weiter tätig. Unter dem Namen Sigrid Schalck-Golodkowski hat am Tegernsee ein Antiquitätenhandel aufgemacht, in der Leipziger Bach-Str. 28, früher „Kunst und Antiquitäten GmbH“, residiert seit dem Mai 1990 das „Sächsische Antiquariats- und Auktionshaus Johannes Wendt KG“. adn/taz
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