: Wuff-Wuff vor Blaff-Blaff
■ Europameisterschaften im Hundeschlittenrennen in Oberhof: „Der Hund soll glücklich sein“
Oberhof (taz) — Mit „go, allez, hike, run“, seltener mit dem profanen deutschen „lauf!“ machten etwa achtzig der besten Schlittenhundesportler Europas an diesem Wochenende ihren bellenden, jaulenden und heulenden „Teamgefährten“ Beine. Schließlich ging es um zwölf Europameistertitel in den Middle-distance- und Long-trail-Klassen. Hin und wieder wird auch das Indianische bemüht: „How“ dirigiert die hechelnden Vierbeiner nach links oder „whoa“ bringt sie zum Stehen.
Kein Halten gab es auch für die an allen drei Tagen in Scharen herbeigeeilten Schaulustigen — kein Bellen oder Jaulen war ihnen zu laut, kein schneematschiger Weg zu weit, um ein bißchen vom exotischen Flair dieses Championats zu schnuppern. Der Thüringer und sein Tourist ist bescheiden. Wenn ihm schon keine Eiskunstlauf-, Turn- oder Rad-Weltmeisterschaft geboten wird, begnügt er sich eben mit Schlittenhunden.
Der Thüringische Schlittenhunde-Sportclub (SSCT), gewissermaßen der Welpe innerhalb der 700 Musher zählenden deutschen Arbeitsgemeinschaft, hatte für die Titelkämpfe mit der Stadt Oberhof, der Bergwacht, dem Sportstättenbetrieb und dem ehemaligen Armeesportklub tierliebe PartnerInnen und mit einem weltweit bekannten Hundefutterhersteller auch einen geldkräftigen Sponsor gefunden. Am Ende war die kontinentale Hundeschlittenfamilie geradezu begeistert, daß Oberhof von nun an einen festen Platz im Veranstaltungskalender der Musher (englisch: gehen, laufen, marschieren) bekommen soll.
Echtes Hundeleben war auf dem Grenzadler den Long-trailern beschieden, die selbst die naßkalten Nächte im Biwak verbringen und Proviant für drei Tage mitführen mußten. Das gehört zum Wettbewerb und wird eiskalt kontrolliert.
Alles kein Problem beispielsweise für den niederländischen Meister in der offenen Klasse, John van Eyk, der mit seinen zwölf Huskys die 31,4 Kilometer lange Strecke dreimal in einer Gesamtlaufzeit von sechs Stunden und knapp fünf Minuten bewältigte. Der schlitternde Holländer, der daheim in einem kleinen Dorf zwischen Amsterdam und Rotterdam mit seiner Frau und 33 Hunden lebt, kommt seit Jahren nicht mehr von seinem Hobby los. Wer einmal auf den Hund kam... Von besserwisserischen TierschützerInnen, die hinter einem Zwingerdasein Tierquälerei vermuten, will der mehrfache Champion ebensowenig wissen, wie von Snobs, die reinrassige Schlittenhunde als Luxusartikel halten. Grundsatz aller echten Musher ist: „Der Hund soll glücklich sein.“
Um ihrem Sport noch mehr Geltung zu verschaffen, wollen die SchlittenführerInnen nun sogar bei den Winterspielen in Albertville aufkreuzen, und damit an den bisher einzigen olympischen Auftritt 1932 in Lake Placid erinnern. Weltmeisterschaften werden aber wohl ein Traum bleiben, denn allein Amerikaflüge mit Schlitten und Vierbeinern brächte immense Probleme und Kosten mit sich. Aber auch in dieser Frage werden sie wohl nicht locker lassen.
Es sind schon verrückte Hunde — nicht nur die Huskys, Malamutes, Samojeden und Gronländer, sondern vor allem ihre Musher, auch wenn deren Namen wohl nur die Hunde selbst kennen. Stefan Frase
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