Eine Schocktherapie für Nicaraguas Wirtschaft

■ Landeswährung Cordoba wird um 80 Prozent abgewertet/ Präsidentin Violeta Chamorro hofft auf Finanzhilfe der Weltbank

Managua (ap/taz) — „Tut mir leid, heute verkaufen wir nicht mehr, weil morgen die Preise explodieren werden.“ Diese Antwort bekam man in Managua schon Donnerstag mittag in vielen Läden. Am Sonntag nun hat Nicaraguas Präsidentin Violetta Chamorro ein Programm zur Sanierung der in neun Jahren Bürgerkrieg zerrütteten Wirtschaft und zur Eindämmung der Inflation verkündet. Als Kernpunkte nannte sie in einer Fernsehansprache eine drastische Abwertung der Landeswährung um 80 Prozent, Preiserhöhungen bei Grundnahrungsmitteln und Benzin sowie Lohnerhöhungen im öffentlichen Dienst. Die Beschlüsse folgten auf Gespräche der Regierung mit Vertretern der Weltbank und der Interamerikanischen Entwicklungsbank in Washington, von denen sich Nicaraguas Regierung eine Notfinanzhilfe über 440 Millionen Dollar erhofft.

1990 erreichte die Jahresinflationsrate 13.000 Prozent, im Januar stiegen die Lebenshaltungskosten nach Schätzung von Wirtschaftswissenschaftlern binnen Monatsfrist um 58 Prozent. „Dieses Problem wird gelöst, unsere Währung wird stabilisiert, und in einigen Monaten werden wir bereits eine Erleicherung spüren“, sagte Staatsminister Antonio Lacayo gestern. Wichtigste Maßnahme ist die Abwertung des vor sieben Monaten eingeführten Gold- Cordoba, der künftig nicht mehr mit einem US-Dollar, sondern nur noch mit 0,20 Dollar gleichgesetzt wird. Die ebenfalls abgewerteten alten Cordobas müssen bis Ende April umgetauscht werden. Lacayo versicherte, daß die Notenbank künftig kein Geld mehr drucken werde, das nicht durch die Wirtschaftskraft des Landes gedeckt sei.

Die Preise für Reis, Bohnen, Speiseöl, Zucker, Mais und andere Grundnahrungsmittel sollen in bis zu vier Stufen angehoben werden. Die Gallone (3,8 Liter) Benzin kostet jetzt zehn Goldcordoba statt bisher 2,35. Als Ausgleich hierfür wird die Regierung die Gehälter ihrer Beschäftigten im Gesundheits- und Bildungswesen anheben.

Der Goldcordoba ist eine Schöpfung des inzwischen gefeuerten Zentralbankpräsidenten Francisco Mayorga. Der Wirtschaftsprofessor wollte binnen drei Monaten nach Regierungsantritt die Inflation drosseln und eine Währung in Umlauf setzen, deren Dollarparität 1:1 er sechs Jahre lang zu verteidigen versprach. Doch die Staatsangestellten, die einen Teil ihres Gehalts in Goldcordoba ausgezahlt bekommen, hatten kein Vertrauen in die neuen Scheine und tauschten sie umgehend in US- Dollar um. Seit Januar können nur mehr Importeure, Fluggesellschaften und andere Unternehmen ihre Goldcordobas zum offiziellen Kurs wechseln. Allgemeines Zahlungsmittel ist der Cordoba, im Volksmund „chanchero“ (Schweinefutter) genannt, weil man einen ganzen Trog voller Geldscheine braucht, um einzukaufen. Für einen US-Dollar bekommt man auf dem Schwarzmarkt mittlerweile zehn Millionen Cordobas. Ralf Leonhard