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Frankreichs Präsident in Siegerlaune

■ Mitterrand fordert in Abgrenzung zu den USA nun gleich mehrere Konferenzen zu den verschiedenen Nahost-Problemen/ Treffen mit Bush in Aussicht genommen

Paris (taz) — US-Präsident Bush hat nach Auskunft des französischen Außenministers Dumas an Frankreich den Wunsch herangetragen, sich auf französischem Boden mit Staatspräsident Mitterrand zu treffen. In einer „Hommage an unser Land“ so Dumas, hätte Bush als Treffpunkt eine französische Antilleninsel vorgeschlagen. Das machte dem französischen Präsidenten Spaß: Vor versammelter Fernsehnation erklärte er, daß „Frankreich seine Rolle und seinen Rang bewahrt“ habe. Am Sonntag abend betonte Mitterrand die Rolle Frankreichs im Golfkonflikt und forderte eine verstärkte Mitsprache der Vereinten Nationen in der Weltpolitik.

In Siegerlaune ist nicht nur der Präsident. Laut einer Umfrage hat er zur Zeit 85 Prozent der Franzosen hinter sich in Sachen Golfkonflikt. Die Unterstützung des siegreichen Lagers soll Frankreich nun vor allem Einfluß auf die Gestaltung der Nachkriegszeit sichern, und zwar im Rahmen des UN-Sicherheitsrates, wo es einen der fünf ständigen Sitze innehat. Eine Reform der Sitzverteilung, wie sie vor allem die Bundesrepublik kürzlich verlangt hatte, ist in Paris daher indiskutabel.

Die UNO habe im Golfkonflikt den Griff zur Gewalt autorisiert; sie habe jetzt die Aufgabe, die Rückkehr zum Frieden zu organisieren, wiederholte Mitterrand. Er schlug vor, die Mitglieder des UN-Sicherheitsrates erstmals in der Geschichte der Vereinten Nationen auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs zu versammeln, um neben der Friedensregelung zwischen dem Irak und Kuwait auch zahlreiche andere politische und wirtschaftliche Konflikte des Nahen Ostens zu regeln: Mit der Befreiung Kuwaits sei „nur ein Problem unter anderen“ gelöst. Jetzt müsse auch dafür gesorgt werden, daß Israel „wirklich sichere Grenzen“ habe, daß die Palästinenser „ihre Identität, ihre Heimat, ihren Staat“ bekämen, und daß der Libanon frei seine Souveränität ausüben könne. Auch die Wünsche des irakischen Volks seien nicht zu vergessen, sagte Mitterrand. Er plädierte für „eine oder mehrere internationale Konferenzen“ zur Regelung dieser Fragen. In seiner sechsminütigen Ansprache kündigte der Präsident die Rückkehr aller französischen Truppen aus dem Golfgebiet „vor dem Herbst“ an. Mit der Heimkehr der ersten Regimenter sei im April zu rechnen. Die französischen Verbände würden bis Inkrafttreten eines „definitiven Waffenstillstands“ auf ihren bisherigen Positionen bleiben.

Frankreich besteht auf Unterschied zu USA

Mit diesen Vorschlägen besteht Frankreich wieder auf dem so oft beschworenen Unterschied zu den USA, den es während des Krieges aufgegeben hatte; die USA haben eine internationale Konferenz — im Einverständnis mit Israel — stets abgelehnt. Zudem unterstützt Frankreich mit diesem Vorschlag ein Anliegen vieler arabischer Staaten. Falls es Paris gelingen sollte, die Behandlung insbesondere des Nahost- Konflikts auf die internationale Tagesordnung zu bringen, könnte es seine Beziehungen zur arabischen Welt wieder verbessern. Mitterrand will der UNO zudem „die Rechte von Minderheiten wie der Kurden, den Schutz der Umwelt, die Aufteilung der Bodenschätze und die Rüstungskontrolle“ überantworten.

Eine Konferenz des UN-Sicherheitsrates auf höchster Ebene „war nicht möglich, solange die Alliierten des Zweiten Weltkriegs über den Frieden uneins waren. Von nun an ist dies in unserer Reichweite“, betonte Mitterrand. Eine solche Konferenz hätte vor allem die Konsequenz, daß Frankreich — obwohl es weder wirtschaftlich noch militärisch eine Großmacht ist — weiterhin in der Weltpolitik mitmischen könnte. Diesen Anspruch soll auch die „force de frappe“ stützen: „Die nukleare Abschreckung ist und bleibt der Pfeiler unserer Strategie“, sagte der Präsident. Der Golfkrieg habe gelehrt, daß die Rüstung ständig auf dem neuesten technischen Stand gehalten werde müsse. Für Europa sah Frankreichs Staatschef keine Aufgabe vor: In seiner Rede erwähnte er die Gemeinschaft nicht ein einziges Mal. Bettina Kaps

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