: Der Mainzer Mann fürs AKW
Umweltminister Beth räumt vor Ausschuß „AKW Mülheim-Kärlich“ erstmals Streit im Ministerium ein ■ Von Joachim Weidemann
Mainz (taz) — Rheinland-Pfalz ist klein, seine Umwelt überschaubar, seine Atomkraftwerke rar — es gibt nur eins, in Mülheim-Kärlich bei Koblenz. Und das liegt nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts seit September 1988 still.
Die CDU/FDP-Landesregierung will den Meiler wieder flottmachen. Umweltminister Alfred Beth (CDU) hat dem AKW sogar im Juli 1990 eine neue Betriebsgenehmigung erteilt, die jetzt die Gerichte beschäftigt. Vor dem Mainzer Untersuchungsausschuß über die umstrittene Genehmigungspraxis für das AKW ließ der Minister jedoch Sachkenntnis vermissen. Er habe sich anfangs „nicht so intensiv“ um das AKW gekümmert, entschuldigt er sich. Während der Ausschußsitzung wühlte er in alten Protokollen: „Da muß ich mal nachsehen, was ich damals dazu gesagt habe. Ich will mir ja nicht widersprechen.“
AKW-Genehmiger Beth mußte einräumen, als Landrat jahrelang im Beirat des AKW-Betreibers RWE gesessen zu haben. Erstmals erwähnte Beth, daß es in seinem Ministerium „Streit um den Regelungsgehalt“ der nachgebesserten 1. AKW- Teilgenehmigung (1. TEG) gab. Man habe jemand gebraucht, der entscheidet. Beth: „Manchmal war ich das auch selbst.“
Beths Ministerium hatte diktiert, die 1. TEG regle nur „Baugrube und Baustelle“. Verwaltungsgerichte dagegen hatten mehrfach darauf verwiesen, daß unter die 1. TEG auch andere AKW-Teile als die Baustelle fallen, etwa der Reaktordruckbehälter. Mainz muß sich überdies von den Grünen vorhalten lassen, 1984 noch ganz anders argumentiert zu haben: Damals hatte der Rechtsanwalt des Landes behauptet, die 1. TEG betreffe nicht nur die Baugrube, sondern auch das „Konzept der Anlage“.
Beth mußte einräumen, daß es für die „neu“ genannte, nachgebesserte 1. TEG keine „neuen“ geologischen Untersuchungen gab, obwohl diese vom Geologischen Landesamt in Mainz als „unumgänglich“ bezeichnet wurden. Statt neue Messungen durchzuführen, wurden lediglich alte geologische Expertisen neu ausgewertet. Beths Ministerialrat Wolf bestätigte einen Bericht der taz, wonach im Frühjahr 90 nach Intervention des RWE ein Gutachten des Geologischen Landesamtes durch Privatexpertise ersetzt hatte.
Beths Koalitionspartner, die FDP, geht auf Distanz zum Minister und kritisierte im Ausschuß das Vorgehen der Landesregierung als „Echternacher Springprozession“: Der Gutachter fange damit an, daß vormals gemachte Annahmen plausibel seien, rede drum herum und komme wiederum zu dem Zirkelschluß, daß die Annahmen plausibel seien. Warum, hakt der FDP-Mann nach, wurden die „plausiblen Annahmen“ nicht durch Messungen nach neuesten Methoden überprüft?
Bei dem Streit geht es um den fraglichen Verlauf von Bodenverwerfungen unter dem AKW, das am Rande eines erloschenen Vulkans steht. Unklar ist nach wie vor, ob diese Bodenstörungen vor dem AKW haltmachen oder bis unter den Reaktor reichen. Auf einer Karte der offiziellen Geologieexpertise von 1990, die Mainz zurückgewiesen hatte, war deshalb der AKW-Standort eingekreist und mit einem Fragezeichen versehen. Sollte sagen: „fraglicher Verlauf der Störungszone“. In einem privaten geologischen Gutachten indes, das Mainz dem offiziellen vorzog, fehlt dieser Vermerk, um „Mißverständnisse“ zu vermeiden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen