: Offener Brief an Helmut Kohl
Sehr geehrter Herr Kohl,
der Krieg ist vorbei, unsere heile Welt ist wieder in Ordnung.
Doch das mörderische Geschäft mit dem Tod geht unbeirrt weiter: Wie soll ich es verstehen, daß MBB seine Waffenlieferungen an Indien weiter betreiben darf, ein Land, das permanent mit Pakistan im Streit liegt. Von der Gefahr eines Atomschlages war davor nicht allzu langer Zeit die Rede. Schon vergessen?
Wird es Herrn Weizsäcker auch in einigen Monaten noch peinlich sein, wenn auf einer Ausstellung in Südkorea Tornados aus Ottobrunn angepriesen werden?
Alles legal, ich weiß. Abgesegnet „im Namen des Volkes“. Aber, Herr Bundeskanzler, was gesetzlich erlaubt ist, muß noch lange nicht moralisch vertretbar sein. Profit machen mit dem Handel von Mordgerät ist in jedem Fall verbrecherisch. [...]
Was ist mit Özal, der die Opposition im eigenen Land blutig unterdrückt und sich schon das Maul geleckt hat nach Teilen des Irak? Ein NATO-Bündnispartner.
Was ist mit Syriens Assad, einem anerkannten Folterer und Mörder, erklärtem Feind Israels? Er wird von Minister Genscher mit Geldgeschenken bedacht, nur weil er Saddam nicht leiden kann.
Was ist mit Gaddafi? Welche deutsche Firma verkauft ihm zur Stunde wieder ihre Vernichtungswaffen, weil er sich eine Zeitlang mit bösartigen Drohungen zurückgehalten hat?
Wann wird sich der nächste Saddam Hussein mit deutscher Hilfe zum „Führer der arabischen (oder jeder x-beliebigen anderen) Welt“ aufschwingen? Werden Sie dann wieder mit Bestürzung an die Öffentlichkeit treten und sagen, das hätten Sie nicht gewollt, nicht gewußt?
Nein, Herr Kohl, beim nächsten Mal wird es Ihnen niemand mehr glauben. Wer Bundeskanzler ist, muß dafür die politische Verantwortung übernehmen. Wer es aber zuläßt, daß unter seiner Regie Diktatoren hochgerüstet werden, nur um es sich mit der heimischen Industrie nicht zu verderben, handelt verantwortungslos und gefährdet den Frieden. [...] Thomas Jaeger, Hamburg
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