Asylbewerber fliehen aus der Ex-DDR

■ Nach dem Anschlag auf eine sächsische Asylunterkunft fordern die Grünen für die nach Hessen Geflüchteten Bleiberecht/ Hilfsorganisationen für Stopp der Asylzuweisungen in den Osten

Berlin/Frankfurt (taz/dpa) — In den fünf neuen Bundesländern häufen sich tätliche Angriffe und Feindseligkeiten auf Asylbewerber. Selbst die hessische CDU/FDP-Landesregierung sah sich zu einem mahnenden Protestschreiben an die sächsischen CDU-Regierung genötigt, nachdem am Wochenende ein gewalttätiger Überfall auf die Asylunterkunft Leisnig bekanntgeworden war. Inzwischen berichten Flüchtlinge von einem Angriff von 30 Bewaffneten auf eine Asylunterkunft in Klötze/Sachsen-Anhalt. Wie zuvor aus Leising flohen die Asylbewerber aus Klötze und suchten Schutz in der hessischen Sammelunterkunft Schwalbach.

Für die Grünen im Hessischen Landtag ist es „ein unverzichtbarer Akt der Humanität“, den aus der ehemaligen DDR geflüchteten AsylbewerberInnen ein Bleiberecht in Hessen einzuräumen. Der Abgeordnete Rupert von Plottwitz erklärte, das Land Sachsen sei offensichtlich nicht in der Lage, AsylbewerberInnen vor den „widerwärtigen Agressionen rechtsradikaler und fanatischer Rassisten“ zu schützen. Deshalb sei den Opfern des Überfalls von Leisnig eine Unterkunft in Sachsen nicht mehr zuzumuten. Jede andere Auffassung liefe, so Plottnitz, darauf hinaus, das Grundrecht auf Asyl „zur Farce“ zu degradieren.

Mit ihrer Einlassung stellen sich die Grünen im Landtag klar gegen die Absicht der noch amtierenden CDU/FDP-Landesregierung, die — trotz ihres Protestes bei der sächsischen Landesregierung — die AsylbewerberInnen umgehend wieder nach Sachsen zurückschicken möchte, wenn dort von der sächsischen Landesregierung ein „menschenwürdiges und sicheres“ Wohnheim eingerichtet worden ist. Bei der hessischen Landesregierung gibt es auch Überlegungen, die Flüchtlinge in das sächsische Sammellager Chemnitz abzuschieben, falls es bei der Einrichtung eines solchen menschenwürdigen und sicheren Wohnheims zu „unangemessenen Verzögerungen“ kommen sollte.

Inzwischen fordern die Hilfsorganisationen amnesty international, pro asyl und der Frankfurter Flüchtlingsbeirat einen prinzipiellen Stopp der Zuweisungen von AsylbewerberInnen in die neuen Bundesländer. In Ostdeutschland bestehe weder die nötige Infrastruktur für einen geregelten Ablauf des Asylverfahrens, noch könnten die Flüchtlinge materiell und sozial angemessen versorgt werden. Für den Asylbeauftragten des sächsischen Innenministeriums, Dieter Köhler, war es schlicht eine „Fehlentscheidung des Bundes, uns in dieser Geschwindigkeit die Asylanten aufzudrücken“. Beleidigungen und Schmierereien gegen Flüchtlinge seien an der Tagesordnung. Köhler befürchtet, daß mit der rapide wachsenden Arbeitslosigkeit auch die Ausländerfeindlichkeit in den neuen Ländern weiter zunehmen wird. Derzeit halten sich in Sachsen 1.300 AsylbewerberInnen auf.

In Sachsen-Anhalt, wo bisher etwa 1.250 Asylbewerber eingetroffen sind und insgesamt 8.000 in diesem Jahr erwartet werden, halten Sozialämter Anschriften von Aussiedlern geheim. Es seien anonyme Anrufe mit Drohungen und Beschimpfungen eingegangen. In Sangerhausen hat sich bereits eine „Bürgerinitiative gegen die Aufnahme von Ausländern“ zusammengefunden.

In dem Rhönstädtchen Geisa warfen Unbekannte eine selbstgebastelte Brandflasche auf vorbereitete Unterkünfte für 100 Asylbewerber. Der Bürgermeister versuchte mit einem einstweiligen Erlaß die Unterbringung zu verhindern, allerdings ohne Erfolg. Im Thüringer Durchgangslager Katzhütte hatten Ende Januar Afrikaner das in einem ehemaligen Ferienlager eingerichtete Heim wegen angeblich unhaltbarer Zustände wieder verlassen und waren nach Hamburg zurückgekehrt. Die brandenburgische zentrale Anlaufstelle für AsylbewerberInnen in Eisenhüttenstadt war ebenfalls schon Ziel von Angriffen von Ausländerfeinden.