: Peymanns Haßliebe zum Berliner Theatertreffen
■ Die Hintergründe über den Wutausbruch des Wiener Burgtheaterdirektors/ Ist Berlin doch nicht Theaterhauptstadt?
Berlin. Die Schelte an der Auswahl der Kritikerjury zur alljährlichen »Schauspiel-Olympiade«, dem Theatertreffen deutschsprachiger Bühnen in Berlin, ist so alt wie das Festival selbst. Auch die zwölf Nominierungen zum 28. Jahrgang riefen prompt zum Teil wutschnaubende Reaktionen hervor, diesmal allerdings mit deutlichen Spitzen gegen die »Theatermetropole Berlin«, deren Bühnen nach der ungeschickten Juryentscheidung diesmal allein die Hälfte des Gesamtprogramms stellen, während die Schweiz und Österreich nur mit je einer Aufführung vertreten sind.
Manche sahen sich sofort in ihren Befürchtungen eines neuen »Kulturzentralismus« im neuen Deutschland bestätigt. Aber nur einer der diesjährigen neun Juroren ist Berliner Kritiker (Dieter Kranz aus dem Ostteil der Stadt), die anderen kommen aus München, Wien, Hamburg, Düsseldorf, Freiburg, Leipzig und Frankfurt. Die Jury tue so, als finde das aufregendste Theater zur Zeit an der Spree statt, »was nicht einmal die sehschwächste Jury finden kann«, kommentierte die 'FAZ‘.
»Berlin ist nun mal seit der Vereinigung eindeutig auch die Theaterhauptstadt Deutschlands«, betonte der Chef des Bühnentreffens, Torsten Maß. »Ich habe mir den Luxus erlaubt, diesmal viel herumzureisen und zahlreiche Aufführungen anzusehen — da war nicht viel mehr aufregenderes dabei, als was jetzt ausgewählt wurde.« Dresden und Hannover, räumt Maß ein, seien noch in der engeren Wahl gewesen. Von insgesamt 400 von der Jury gesehenen Aufführungen seien diesmal 56 (im Vorjahr 46) in der Endrunde der Jury diskutiert worden.
Der Wiener Burgtheater-Direktor Claus Peymann, 1990 mit drei Inszenierungen nach Berlin eingeladen (von denen er aber nur eine zeigen konnte), sprach von einer »ausgesprochenen Sauerei« und einer »Gaukelei«, mit der eine »in Wahrheit nicht bestehende blühende (Berliner) Theatermetropole suggeriert« werden solle. Dabei hatte Peymann zuvor immer wieder die Notwendigkeit eines Zentrums eines sonst dezentralen deutschsprachigen Theaters beschworen. Seine notorische Haßliebe zum Theatertreffen ist allseits bekannt, an dem er manchmal nur »unter Protest« teilnahm — aber teilnahm: »Es ist eine Sache, die ich deshalb so scharf kritisiere, weil ich sie liebe.«
So schimpfte er 1986, die Juryauswahl sei »eine Katastrophe, ein reines Bühnenpolitikum« (es war keine österreichische Bühne vertreten, im Jahr zuvor waren unter anderen je drei Inszenierungen aus Wien, München und Berlin dabei). 1987 war er wieder mit drei Inszenierungen dabei und triumphaler Sieger.
Was den Vorwurf der »Theaterpolitik« in Richtung Jury angeht, so ist auch der nicht neu (1988 waren vier Nominierungen als kulturpolitische Unterstützung im »Theaterkampf im Ruhrgebiet« verstanden worden). Doch hatte Peymann dies 1987 noch ausdrücklich gutgeheißen: »Das Theatertreffen ist auch ein wichtiges kulturpolitisches Instrument... eine Art Schützenhilfe und Ermutigung für manche daheim bedrohte Bühnen.« Wilfried Mommert (dpa)
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