Bald ist auch er ein Berliner

Seine Verdienste um das notengetreue Absingen der deutschen Nationalhymne sind den Berlinern vom 10. November 1989 noch gut im Gedächtnis. Seit dem Sommer letzten Jahres arbeitet die Senatskanzlei deshalb daran, Helmut Kohl die Ehrenbürgerwürde der Stadt zu verleihen. Walter Momper, der die Würdigung seinerzeit angeregt hatte, konnte sich gestern nur vage an die Gründe erinnern, wegen derer sie geplant wurde. „Die Verdienste lagen wohl in seinen Beiträgen zur Herstellung der deutschen Einheit“, mutmaßte er gestern gegenüber der taz. Weil sich Kohl hinter den Bonner Kulissen angeblich unermüdlich für die von der deutschen Einheit schwer geschlagene Stadt einsetzt, treibt nun der neue Regierende Eberhard Diepgen — wie gemeldet — die Ehrung energisch voran. Die Zustimmung der Fraktionen von CDU, SPD und FDP hat Parlamentspräsidentin Hanna-Renate Laurien (CDU) schon eingeholt. Nur die Fraktion von AL und Bündnis 90 lehnte es gestern ab, Kohl zu ehren. Es sei „dieser hohen Auszeichnung völlig unangemessen, sie als eine Art Bestechungsversuch zu mißbrauchen“, erklärten die Alternativen. Noch im letzten Jahr, als sie Regierungspartei war, hatte die AL freilich nichts gegen eine Kohl-Ehrung einzuwenden gehabt. „Leidenschaftslos“ sei man in dieser Frage gewesen, räumte AL-Sprecher Stefan Noé ein — als ob Helmut Kohl irgend jemanden kaltlassen könnte. hmt

Fotos: Thilo Rückeis/Axel Usko; Montage: taz