: Startblock Strawalde
■ Zur Ausstellung einer Beziehung Im Kabinett
Neue Galerien werden eröffnet und oft nach kurzer Laufzeit wieder geschlossen. Manche wurden auf Empfehlung des Steuerberaters konzipiert oder als Termingeschäft geplant. Andere sind aus reiner Liebe zur Kunst entstanden und erweisen sich nach wenigen Monaten als tollkühne Affaire, die den ökonomischen Anforderungen nicht gewachsen ist. Wie groß die Liebe auch immer sein mag, sie hat den Nachteil, in der ersten Jahren unersättlich das zu nehmen, was von ihr erwartet wird: Energie, Zeit, Penunze, sichere Entschiedenheit. Sie entpuppt sich als strenges Geschäft mit knallharter Konkurrenz, bei dem Lust und Idealismus hilfreich, aber nicht hinreichend sind, um nach einer kalkulierten Durststrecke profiliert und kostendeckend impulsive Pläne zu realisieren und gleichzeitig bei den launisch divergierenden Szenen, Sammlerpräferenzen und Presseresonanzen im Rennen zu bleiben.
Das Galeristenkollektiv »Im Kabinett« scheint all dies in ihre Vorüberlegungen miteinbezogen zu haben. Es hatte eine tragfähige Grundidee, einen Sponsoren und begeisterungsfähige Argumente für Künstler. Gezeigt werden Korrespondenzen von Malern und Zeichnern — vornehmlich, aber nicht nur — aus den neuen Bundesländern. Künstlerische Verwandtschaften sollen entdeckt werden — wie jetzt mit der Eröffnungsausstellung »Altenbourg — Strawalde« — um mit solchen »Eingriffen« das fixierte Bild von der Malerei aus der DDR zu destruieren. Monat für Monat wird »Im Kabinett« ein Geflecht verschiedener Beziehungen, Beeinflussungen, Freund- und Seilschaften anhand von Papierarbeiten dargestellt werden.
Das Konzept, die regulative Idee der Korrespondenzen auszustellen — aus dem Netz von Künstler-Beziehungen eine Welt in der Welt — gibt es bislang in Berlin nicht. Und dieser Einfall ermöglicht es den Galeristen, jenseits von Moden und den Kategorien alt/neu, innovativ/konservativ u.ä. zu arbeiten und Forschungsarbeit im Hinblick auf die noch zu schreibende Geschichte der Kunst in und aus der DDR zu leisten. Dieses Programm verwehrt eine Arbeit am Kunstbegriff im Allgemeinen, bereitet aber den differenzierten Blick vor.
Nun ist die Beziehung »Altenbourg — Strawalde« keine verblüffende Verwandschaft. »Altenbourg sammelte Strawalde« ist als Botschaft kraftlos, eine Arabeske für Kenner; nichts weiter. Die Galeristen wollten mit eingeführtem Namen durchstarten — das erhöht den Werbeeffekt. Und daß die Ausstellungseröffnung mit der Titelgeschichte über Strawalde in Art zusammenfällt, ist ein preistreibender Glücksfall, bescherte den Galeristen bis Mitternacht prallvolle Räume und den Verkauf einer dreiteiligen Bildsequenz für knapp 70.000 Hartmark plus verschiedene Vormerkungen mit Bedenkzeit. Damit ist die Ausstellung fast komplett weg — denn der Großteil sind unverkäufliche Arbeiten. Priorität hat nicht das Verkaufen (durch den kapitalstarken Sponsor hat die Galerie eine freiere Hand als ein Kunstverein), sondern die Künstlerbeziehung, die in gegenseitigen Widmungen, Bild-Geschenken, Ankäufen sich am sinnfälligsten dokumentieren läßt. Möglich, daß solche Startbedingungen anderen die Neidblässe ins Gesicht treibt. Sie könnten sogar leichenfalb werden durch die Tatsache, daß die Galeristen generös nur 25% vom Vekaufspreis der Bilder einbehalten — normal sind 40-60.
Auch wenn der »Hunger« nach Tafelbildern und Papier nachgelassen hat, bewahrt Malerei trotz aller Infragestellungen Qualitäten, die weder ersetzbar, noch einholbar, noch übertragbar sind. Und zu einer kommenden »Kunst-Metropole Berlin« gehört Kunst aus der DDR unbedingt dazu. Das Kollektiv »Im Kabinett« wird Geschichtsforschung in diesem Sinne betreiben. Ob ihre Ergebnisse überregional von Interesse sein werden, wird der Verlauf der Entdeckungen zeigen. Peter Herbstreuth
bis 31.3.; Solmstr. 30, 1-61, Mi-11-17, Do-So 15-20 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen